Brennen Muss Salem
und Wände zeigen ein mattes, die Decke ein etwas helleres Grün. An den Wänden befinden sich viereckige Türen, die aussehen wie große Schließfächer auf einem Bahnhof. Auf das alles werfen lange parallele Leuchtstoffröhren ein kühles, neutrales Licht. Das Interieur ist nicht eben anregend, aber soviel man weiß, hat sich noch keiner der Kunden beklagt.
Am Samstag abend um Viertel vor zweiundzwanzig Uhr rollten zwei Gehilfen eine Bahre mit der Leiche eines Homosexuellen herein, den man in einer Bar erschossen hatte. Es war die erste Leiche dieses Abends. Zwischen ein Uhr und drei Uhr würden dann die Unfallopfer kommen.
Buddy Bascomb wollte gerade einen Witz erzählen, als er mitten im Satz innehielt und auf die Schließfachtüren M bis Z
starrte. Zwei von ihnen standen offen.
Buddy Bascomb und Bob Greenberg verließen die Leiche und liefen zu den Türen. Bob las das Namensschild an der ersten Tür:
Tibbits, Floyd Martin
Geschlecht: m.
Eingeliefert: 4. 10. 1975
Autops. vorauss.: 5. 10. 1975
Signatur: J. M. Cody M. D.
Bob drückte den Griff an der Innenseite der Tür hinunter, und die Bahre rollte heraus. Leer.
»He«, schrie er Bascomb zu. »Dieses Scheißding ist leer. Wer, zum Teufel -«
»Ich saß die ganze Zeit am Schreibtisch«, sagte Buddy. »Es ging niemand an mir vorbei. Das kann ich beschwören. Es muß geschehen sein, während Carty Dienst hatte. Was steht bei dir?«
McDougall, Randall. Was heißt die Abkürzung inf. ?«
»Kind«, sagte Buddy matt. »Ich fürchte, wir sitzen in der Scheiße.«
Etwas hatte ihn aufgeweckt.
Er lag still in der Dunkelheit und sah zur Decke.
Ein Lärm. Irgendein Lärm. Aber das Haus war still.
Jetzt wieder. Ein Kratzen.
Mark Petrie drehte sich im Bett um und blickte auf das Fenster; mit wilden, rotgeränderten Augen starrte ihn Danny Glick an. Dannys Haut war totenblaß, etwas Dunkles schien um Mund und Kinn geschmiert zu sein. Als Danny bemerkte, daß Mark herübersah, lächelte er und zeigte seine langen, scharfen Zähne.
»Laß mich herein«, flüsterte die Stimme, und Mark war nicht sicher, ob die Worte durch die dunkle Luft zu ihm gedrungen waren oder ob sie nur in seinem Kopf existierten.
Mark spürte, daß er erschrak – sein Körper spürte es, bevor der Verstand es wahrnahm. Niemals noch hatte Mark solche Angst gehabt, nicht einmal damals, als er zu ertrinken glaubte.
In Sekundenschnelle erfaßte sein in vieler Beziehung noch sehr kindlicher Verstand die Situation. Er war in Todesgefahr – und mehr.
»Laß mich herein, Mark. Ich möchte mit dir spielen.«
Das grausige Etwas vor dem Fenster konnte sich nirgends anhalten. Marks Zimmer war im ersten Stock, und es gab kein Fensterbrett. Aber irgendwie hing dieses Etwas in der Luft ... oder vielleicht preßte es sich an die Schindeln wie ein dunkles Insekt.
»Mark ...endlich bin ich gekommen, Mark. Bitte . ..«
Natürlich. Man muß sie einladen. Mark wußte das aus seinen Monstermagazinen, jenen Magazinen, die seine Mutter nicht mochte.
Er sprang aus dem Bett und fiel beinahe zu Boden. Jetzt erst wußte er, daß Furcht für seinen Zustand ein zu mildes Wort war. Auch Schrecken drückte nicht aus, was er fühlte. Das blasse Gesicht vor dem Fenster versuchte zu lächeln, aber es hatte zu lange in der Dunkelheit gelegen, um sich noch an ein Lächeln erinnern zu können. Was Mark sah, war eine zuckende Fratze.
Doch wenn er dem Etwas in die Augen schaute, war es gar nicht so schlimm. Wenn man in die Augen schaute, verging die Angst, und man wußte, daß man nur das Fenster öffnen und Danny sagen mußte: »Komm herein, Danny!« Dann würde man sich nicht mehr fürchten, denn dann wäre man mit Danny vereint und mit allen ändern. Man wäre -
Nein, so fangen sie einen ja!
Mark riß seine Augen los, und es kostete ihn seine ganze Willenskraft, den Blick zu lösen.
»Mark, laß mich ein! Ich befehle es! Er befiehlt es!«
Mark ging auf das Fenster zu. Es gab keine Möglichkeit, dieser Stimme zu widerstehen. Als Mark sich der Scheibe näherte, begann das Gesicht des kleinen Jungen draußen vor Gier zu zucken. Von Erde geschwärzte Fingernägel kratzten am Fenster.
An irgend etwas denken. Rasch. Rasch.
»Es grünt so grün«, flüsterte Mark heiser, »wenn Spaniens Blüten blühn.« Vergeblich preßte er seine Fäuste gegen den Fensterstock, aber das Gespenst verschwand nicht.
Danny Glick zischte ihn an.
»Mark, öffne das Fenster.«
»Wiener Wäschermadeln waschen weiße Wäsche.«
»Das
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