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Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Reese
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weltweite Zeichen für Nein. Es hebt sich kaum von ihrer Haut ab, ist nur die Andeutung einer Narbe, aber ich kann es trotzdem erkennen. Ich trete einen Schritt zurück. Ich weiß, was das heißt. Als Franny gefunden wurde, war ihr Oberkörper mit Schnitten übersät – Kreisen, Quadraten, Linien. Wegen der fortgeschrittenen Verwesung der Leiche konnte der Gerichtsmediziner die meisten der Zeichen nicht mehr identifizieren. Aber eines war noch zu erkennen: ein durchgestrichener Kreis.
    M. hat Franny getötet. Als er das Video aufnahm, war die Wunde an ihrem Po schon so gut verheilt, daß sie ihm nicht auffiel. Und zu dem Zeitpunkt, als er sie tötete, war sie völlig verheilt, denn auf ihrem Po fand der Gerichtsmediziner weder Schnittwunden noch Narben. Aber hier, in dem Video, ist das Zeichen zu sehen, dasselbe Zeichen, das er später in ihren Bauch ritzte. Damit habe ich den Beweis, daß M. Franny getötet hat. Beweis genug für mich, aber nicht für die Polizei. M. ist in dem Video nicht zu sehen, nur Franny und Rameau. Er wird abstreiten, daß das Band ihm gehört. Ich fühle, wie ich zu zittern beginne, nicht vor Kälte, sondern vor Wut. All die Emotionen, die sich im Lauf des letzten Jahres aufgestaut haben  – die ganze Wut, die ganzen Schuldgefühle – flackern zu einem lodernden Feuer auf. Ich brenne auf Rache. Ich werde nicht zulassen, daß er ungestraft davonkommt. Dieses Mal nicht.
    Während ich das Video zurückspule, versuche ich mich zu beruhigen, meine Gedanken zu ordnen und zu überlegen, was ich tun soll. Ich verlasse das Arbeitszimmer und gehe den langen Gang bis zu M.s Schlafzimmer hinunter. Bis jetzt war M.s Haus für mich mit sexueller Bedeutung aufgeladen. Das Wohnzimmer, das Arbeitszimmer, die Möbel – all das beschwor in mir Erinnerungen herauf, die mich auf zukünftige Erfahrungen mit ihm vorbereiteten. Sein Haus hatte für mich etwas Phallisches, Fleischliches, ich sah darin unseren privaten
Serail ausschweifender Lüste. Aber als ich jetzt durch die Räume gehe, sehe ich ein anderes Bild vor mir: ein Bild des Schmerzes und des Leidens. Frannys Video läßt mich nicht mehr los. Sie geht immer noch durch dieses Haus, durch diesen Gang. Ich höre ihre zögernden Schritte, und ihre stummen Schreie hallen in meinem Kopf wider. Ich werde dieses Haus nie wieder so sehen können wie bisher.
    Ich gehe in M.s Schlafzimmer und ziehe mich an. Er hat meine Sachen von gestern abend eingesammelt – Bluse und BH aus dem Eßzimmer, Rock, Schuhe und Slip aus dem Arbeitszimmer  –, alles sauber zusammengefaltet und auf das Fensterbrett gelegt. Sein Verhalten mir gegenüber ist aufmerksam und kultiviert, und während der letzten Wochen bin ich immer mehr von meiner ursprünglichen Meinung abgekommen, daß er ein grausamer, böser Mann ist. Anfangs war ich mir dessen so sicher. Als ich ihn aber besser kennenlernte, begann ich mich zu fragen, ob ich mich vielleicht doch getäuscht hatte. Meine Bedürfnisse trübten meinen Blick. Ich wollte Franny verstehen, wollte herausfinden, wie sie wirklich war, und M. brachte sie mir näher. Ihm habe ich es zu verdanken, daß ich meine Schwester jetzt besser kenne als zu ihren Lebzeiten.
    Aber irgendwann habe ich dabei meine Objektivität verloren. Ich habe aufgehört, ihn für einen grausamen Mann zu halten, weil ich ihn einfach nicht mehr so sehen wollte. Das war ein Fehler. Was für ein Mann – wenn nicht ein brutaler – würde eine Frau zwingen, es mit einem Hund zu treiben, und sich dann an ihren Tränen ergötzen?
    Den ganzen Tag warte ich auf M., bereite mich auf seine Rückkehr vor. Ich gehe durch sein Haus und stecke alles, was mir gehört – die Kleider, die ich in seinen Schrank gehängt habe, mein Shampoo, meine Zahnbürste und mein Deo, den Roman, den ich angefangen habe, aber nie zu Ende gelesen habe – in eine braune Einkaufstüte. Ich bin erstaunt über
meine Beherrschung, meine Ruhe. Jetzt, da ich weiß, was ich zu tun habe, handle ich voller Entschlossenheit.
    Ich öffne die Tür, die in den Garten führt. Rameau liegt auf dem Rasen. Als er die Tür aufgleiten hört, stellt er die Ohren auf. Es ist ein grauer, sonnenloser Morgen, und die Luft ist kühl und feucht. Ich spüre, wie ich eine Gänsehaut bekomme, und knöpfe schaudernd meinen Pulli zu. Rameau sieht mich aus großen braunen Augen an und wedelt mit dem Schwanz. Er wendet den Blick nicht von mir ab, bleibt aber liegen. Wir starren einander an. Ich kenne mich mit Hunden nicht

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