Brennende Fesseln
Raum genug zum Manövrieren. Er rammt mir ein zweites Mal den Ellbogen in die Seite. Die Wucht seines Schlages läßt mich von seiner Brust rutschen und gegen den Tisch fallen. Er stürzt krachend um, und alles, was auf dem Tisch stand oder lag, darunter auch drei Kerzen und M.s Weinglas, landet auf dem Boden. Die Schublade ist aufgegangen, und eine Schachtel Kondome, eine Tube Gleitmittel und mehre Burstwarzenklammern sind herausgerutscht. Zwei von den Kerzen sind im Fallen ausgegangen, aber die dritte brennt noch. Der Teppich hat bereits ein kleines Brandloch. Ich trete die Kerzen mit meinen hohen Absätzen aus. Mir tut die ganze Seite weh, und meine Schulter ist ebenfalls lädiert. An der Stelle, wo ich gegen den Tisch geknallt bin, ist die Haut aufgeplatzt und blutet.
M. lächelt selbstgefällig. Ich streife die hohen Schuhe ab und schleudere sie quer durchs Zimmer. Dann trete ich ans Fußende des Bettes, packe den ausziehbaren Bettrahmen und zerre daran, bis M.s Arme so weit ausgestreckt sind, daß die Ketten, mit denen die Handschellen an der Wand befestigt sind, nicht mehr durchhängen. Ich spüre ein Stechen in der Seite. Schwer atmend ziehe ich noch einmal an und höre ihn aufschreien.
»Verdammt noch mal, Nora! Die Handschellen schneiden mir in die Haut.«
Ich trete neben ihn und schwinge mich wieder auf seine Brust. »So, jetzt versuchen wir es noch mal«, sage ich. »Du erzählst mir jetzt, wie du Franny umgebracht hast, oder ich bringe dich um.« Ich greife nach dem Gürtel.
M. grinst verächtlich. »Das bringst du ja doch nicht fertig«, sagt er.
Ich ziehe den Gürtel strammer. »Laß es darauf ankommen«, erwidere ich.
»Wenn du mich umbringst, landest du im Gefängnis.«
Ich schüttele den Kopf. »Harris weiß, wie du bist. Ich werde ihm erzählen, daß du von mir verlangt hast, etwas wirklich Extremes, Gefährliches zu tun. Ich werde ihm erzählen, daß du mit deiner Atmung experimentieren wolltest und von mir verlangt hast, dich zu würgen. Natürlich wollte ich erst nicht, aber du hast gedroht, mich zu schlagen, wenn ich es nicht tue. Also habe ich mitgespielt. Leider habe ich dich zu lange und zu fest gewürgt. So ein Pech. Das hast du nicht überlebt. Es war ein Unfall.« Mir tun von M.s Attacke immer noch die Rippen weh.
»Sie werden trotzdem gegen dich ermitteln.«
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Einen Mord werden sie mir nicht nachweisen können. Fahrlässige Tötung, das vielleicht. Das Risiko gehe ich ein. Hauptsache, du bezahlst für den Mord an Franny.« Ich ziehe den Gürtel so stramm, daß M. ihn spürt. »Jetzt schieß los.«
Er schweigt mit zusammengebissenen Zähnen. Sein ganzes Gesicht wirkt angespannt. Ich ziehe den Gürtel enger. Er beginnt nach Luft zu schnappen, und sein Gesicht läuft dunkelrot an. Unter mir bäumt sich sein Oberkörper leicht auf, aber er ist jetzt völlig durchgestreckt, und seine Versuche, sich zu wehren, sind nutzlos. Ich lockere den Gürtel.
»Bereit zum Reden?« frage ich, gebe ihm aber keine Gelegenheit zu einer Antwort. Ich weiß, daß er nicht so leicht aufgeben wird. Ich würge ihn noch einmal. Ich sehe den Trotz in seinen Augen und ziehe den Gürtel noch enger. Wieder wird sein Gesicht dunkelrot. Er starrt mich an, so lange er kann. Dann beginnen seine Augen zu wässern und verdrehen sich nach hinten. Er hat den Mund weit aufgerissen. Kein Ton dringt aus seiner Kehle. Mein eigener Atem kommt stoßweise. Ich hatte nicht gedacht, daß es so schwer und anstrengend sein würde, einen Mann zu würgen. Ich ziehe weiter an dem Gürtel und bin nicht sicher, ob ich überhaupt wieder loslassen
werde. Es wäre nur ein kleiner Schritt von hier bis zum Tod. Ein klein wenig länger, und er wäre tot.
Ich lasse los. M. hustet, schnappt keuchend nach Luft. Seine Lungenflügel geben pfeifende Geräusche von sich, als er Sauerstoff einsaugt.
»Wirst du jetzt reden?« frage ich, und er nickt keuchend, immer noch unfähig zu sprechen. Ich steige von seiner Brust und trete einen Schritt zurück. Nachdem er noch ein paarmal gehustet und sich geräuspert hat, saugt er in verzweifelten, tiefen Zügen Luft ein. Seine Halsmuskeln zucken. Jetzt wirkt er nicht mehr so selbstgefällig. Ich lasse ihm ein paar Minuten Zeit, sich zu erholen. Dann gehe ich zum Camcorder hinüber, spule die Kassette an den Anfang zurück und schalte erneut auf Aufnahme – es besteht kein Grund, die Szene von eben auf Film zu bannen. Ich drehe mich zu M. um. Er liegt jetzt ruhig da
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