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Brennende Fesseln

Brennende Fesseln

Titel: Brennende Fesseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Reese
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hier – sie hat immer mitgemacht. Allerdings nicht bei der Sache mit dem Schneiden. Das haben wir mit ihr nie getan.«
    »Du lügst.«
    M. zuckt mit den Achseln. »Ich habe keinen Grund zu lügen. Du wolltest wissen, was Franny und ich miteinander getan haben – und ich sage es dir.«
    »Und?«
    M. lächelt. »Und was? Du willst wissen, ob ich zugelassen habe, daß er sie fickt? Das überlasse ich deiner Phantasie.«
    Wir steigen in seinen Wagen und machen uns auf den Heimweg. Schweigend fahren wir dahin. Es ist erst vier Uhr nachmittags, und es hat wieder zu regnen begonnen. Wir biegen in die Hauptstraße ein; ich starre auf die vorüberfliegenden Geschäfte, die Motels und die Leute, die unter ihren Schirmen dahineilen. Wir umrunden die untere Hälfte des Lake Tahoe. Dicke Regentropfen lassen die Wasseroberfläche wie pockennarbig aussehen. Alles um uns herum – die hohen, tropfenden Bäume, die holzverkleideten Häuser, die vorbeizischenden Autos – hat einen durchweichten, grauen Farbton angenommen. Ich kann nicht aufhören, mir Franny in diesem Haus vorzustellen. Ständig frage ich mich, zu welchen Dingen M. sie wohl gezwungen hat.
    Wir lassen die Stadt hinter uns, fahren am Flughafen vorbei und steuern dann auf die Berge zu, wo der Regen ziemlich abrupt in ein leichtes, dunstiges Nieseln übergeht. Schläfrig tanzen die Tröpfchen über die Motorhaube. Bald wird es draußen dunkler, fast schon dämmrig. Schließlich sind immer weniger Bäume zu sehen, und die Berge machen den welligen, grasbewachsenen Gebirgsausläufern Platz. Wir erreichen den flachen
Streifen Land, der zu Sacramento wird, und fahren in Richtung Westen weiter. Schließlich erreichen wir Davis. Vor meinem Haus schaltet er den Motor ab und dreht sich zu mir um, den Arm um die Rückenlehne drapiert. Schweigend betrachtet er mich. Ich werde verlegen.
    »Was ist?« frage ich abwehrend.
    »Komm her«, sagt er. Das ist ein Befehl, keine Bitte. Instinktiv bleibe ich, wo ich bin. In den Augenblicken des Schweigens, die nun folgen, lädt sich die Luft spürbar auf.
    Er lächelt. Es ist ein selbstgefälliges und zugleich bedrohliches Lächeln. »Ungehorsam«, stellt er fest, während er seinen Sicherheitsgurt öffnet und zu mir herüberrutscht. »Das gefällt mir.« Mit einer plötzlichen Bewegung, die ich nicht erwartet habe, drängt er mich gegen die Tür und hält mich mit den Armen fest, so daß ich mich nicht mehr rühren kann. Er legt eine Hand unter mein Kinn und hebt meinen Kopf zu sich hoch. »Bis zu einem gewissen Grad. Aber geh nicht zu weit. Sei zum falschen Zeitpunkt ungehorsam, und du wirst dafür bezahlen.« Er drängt sich an mich und küßt mich. Wieder spüre ich die Gefahr, genau wie in der Nacht, als ich mit ihm geschlafen habe. Gegen meinen Willen fühle ich die Erregung.
    Abrupt hört er auf. Mit einer Hand packt er mich am Kinn und schiebt meinen Kopf nach hinten gegen das Fenster. Ich spüre die Kraft in seinen Armen, in seinem Körper, der sich gegen meinen preßt.
    Während er mich auf diese Weise festhält, sagt er mit ruhiger Stimme: »Du möchtest glauben, daß ich Franny getötet habe. Das gibt dir etwas, woran du dich klammern kannst. Es ist besser als der Gedanke, daß ihr Mörder ungestraft davonkommen könnte. Aber gleichzeitig fühlst du dich zu mir hingezogen. Ich spüre es an der Art, wie du mich küßt. Ich spüre es in deinem Körper. Du und ich, wir werden Freunde werden. Obwohl du es nicht willst, wirst du mich mögen. Du weißt es vielleicht noch nicht, aber wir sind einander ähnlicher, als du
es dir jetzt vorstellen kannst. Wir sind aus demselben Holz geschnitzt, Nora. Du wirst mir nicht widerstehen können.«
    Seine Worte machen mir angst. Der Gedanke, daß ich ihm ähnlich sein könnte, ist mir widerlich. Ich kämpfe gegen die Hand an meinem Kinn. »Sei dir da nicht zu sicher«, stoße ich hervor.
    Er küßt mich leicht auf die Wange, dann läßt er mich los. Ich gehe ins Haus, höre ihn wegfahren. Sofort wähle ich Joe Harris’ Privatnummer und erzähle ihm von der Scarification . Joe verspricht mir, daß er der Sache nachgehen wird.
     
    Ein paar Minuten später klingelt es. Ian steht vor der Tür – blond, groß, jungenhaft. Er trägt Bluejeans und eine rot-goldene 49ers-Jacke. Sein kantiges Gesicht ist glatt, es sind noch keine Falten zu entdecken, und seine strohfarbenen Augenbrauen sehen aus wie die Borsten eines Malpinsels. Mit großen Schritten stürzt er herein und küßt mich auf dieselbe

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