Brennende Fesseln
der Erkenntnis oder Inspiration hat, einer musikalischen Epiphanie.
Als er in meine Richtung sieht, erwidere ich seinen Blick mit unschuldsvoller Miene und spreize gleichzeitig meine Beine so weit, daß er mir unter den Rock sehen kann – eine Geste, die
in eindeutigem Widerspruch zu meiner Schulmädchenerscheinung steht. Noch dazu eine, die er mir nicht befohlen hat. Ich tue das nicht, um ihn zu verführen – dazu besteht keine Veranlassung –, sondern eher, um ihn zu ärgern. Es würde mir großen Spaß machen zu sehen, wie er seine kühle Beherrschung verliert. Ich trage weiße Seidenunterwäsche, und sein Blick verharrt einen Moment zwischen meinen Beinen, bevor er wieder wegsieht. Er spricht noch immer über das Zeitalter der Romantik. Mein eigener kleiner Inspirationsblitz hat ihn nicht in seiner Konzentration gestört.
Nach der Vorlesung, als endlich alle Studenten gegangen sind, gibt M. sich distanziert. Er befiehlt mir, zu ihm nach Hause zu kommen, und läßt mich einfach stehen. Ich komme mir lächerlich vor, wie ich in meinem Karorock und den Kniestrümpfen mutterseelenallein neben dem Flügel stehe. Der Grund für sein kühles Verhalten ist mir schleierhaft; ich habe getan, was er verlangt hat. Jetzt bin ich wütend und überlege schon, ob ich ihn versetzen soll. Diese Überlegungen sind aber nur von kurzer Dauer. Ich weiß, daß ich trotz meines Zorns und Widerwillens zu ihm fahren werde.
Als ich dort ankomme, wartet er schon auf mich. Er sitzt im Wohnzimmer mitten auf der Couch und starrt mir mit einem kalten, abweisenden Blick entgegen. Die Vorhänge sind zugezogen, und neben ihm auf der Couch liegt ein Schläger. Bevor ich etwas sagen kann, beginnt er mich zu schelten, erklärt mir, daß ich heute ungezogen gewesen sei, weil ich die Beine gespreizt hätte, und daß er mich dafür bestrafen müsse. Er befiehlt mir, zu ihm zu kommen. Ich rühre mich nicht von der Stelle. M., der immer noch ganz entspannt auf der Couch sitzt, fixiert mich mit seinen dunklen Augen und erklärt, daß er weniger streng mit mir sein werde, wenn ich keinen Widerstand leistete. In meinem Kopf ertönt ein Warnsignal, und ich bin sofort auf der Hut.
»Komm her«, befiehlt er mit der gelassenen, selbstsicheren
Stimme eines Mannes, der weiß, daß er am Ende seinen Willen durchsetzen wird. »Du wirst deine Strafe genauso brav ertragen müssen, wie Franny es getan hat.«
»Fahr doch zur Hölle!« antworte ich.
Geduldig, ohne aufzustehen, sagt er: »Ich habe dir eine Menge über deine Schwester erzählt, Nora. Ich habe ein paar der Lücken gefüllt. Ich habe mich an meinen Teil unserer Abmachung gehalten. Jetzt bist du an der Reihe. Du wirst wieder in ihre Haut schlüpfen und erleben, was sie erlebt hat. Du wirst erneut am eigenen Leib erfahren, was sie in ihrem Tagebuch ausgelassen hat.«
Ich gehe noch immer nicht zu ihm hinüber.
Er legt den Kopf leicht schräg und mustert mich mit einem kleinen, herablassenden Lächeln. »Du wirst alles zu schätzen wissen, was ich dir an Schmerz zufüge. Glaub mir, du kannst dich darauf verlassen, daß ich nichts tun werde, womit du nicht umgehen kannst. Du bist reif für diese Art von Züchtigung.«
Als ich noch immer keine Anstalten mache zu gehorchen, lehnt er sich zurück und spricht weiter: »Ich werde dir eine gehörige Tracht Prügel verpassen, das ist alles. Ich werde meine Hand benutzen, und vielleicht diesen Schläger, und es wird ziemlich weh tun. Es wird brennen. Du wirst versuchen, die Tränen zu unterdrücken, aber es wird dir nicht gelingen. Hinterher werde ich dich ficken.« Er zögert einen Moment, ehe er hinzufügt: »Du hast die Wahl, Nora, genau wie Franny. Du kannst auf der Stelle gehen und nie wieder ein Wort über sie hören. Oder du kannst zu mir herüberkommen. Die Entscheidung liegt bei dir, aber du hast nur zwei Sekunden Zeit, dich zu entscheiden. Ich will die Sache hinter mich bringen, damit ich mich endlich an den Flügel setzen kann.«
Widerwillig gehe ich zu ihm hinüber. Während ich den Raum durchquere, denke ich an Franny. Sie war so ängstlich und schüchtern, ihr Selbstwertgefühl so schwach ausgeprägt.
Wie konnte sie eine solche Bestrafung ertragen? Wie konnte er es wagen, einem Menschen wie ihr so etwas anzutun? Ich beschließe, nicht zu weinen, egal, wie fest er mich schlägt. Ich schwöre, ihm diese Genugtuung nicht zu gönnen. Als ich vor ihm stehe, beugt er sich vor und zieht mich zu sich herunter, über seinen Schoß. Er schiebt mir
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