Brennende Fesseln
hat.
Hinterher liegen wir zusammen auf der Couch. Unsere Arme und Beine sind ineinander verschlungen, unsere schweißbedeckten Körper aneinandergepreßt. Das schwache Licht, das durch die Vorhänge dringt, läßt den Raum warm und samtig aussehen. Die Luft um uns her ist vom herb-süßen Duft entladener Sexualität erfüllt. Mein Kopf liegt auf M.s Brust, und sein kurzes, lockiges Haar kitzelt meine Haut.
»Du hast nicht wegen der Schmerzen geweint«, sagt er einfach. Es ist eine Feststellung, keine Frage.
Ich befreie mich aus seinen Armen und Beinen und gehe zu einem Sessel auf der anderen Seite des Raums hinüber. Ich setze mich seitwärts, so daß meine Beine über die Armlehne baumeln und lasse die Luft meinen Körper kühlen. Meine Pobacken brennen. Ich habe keine Lust, mit ihm über meinen Heulkrampf zu diskutieren.
»Deine Phantasien sind chauvinistisch«, erkläre ich, um das Thema zu wechseln.
Cool läßt er einen Arm vom Sofa rutschen. Er sieht zu mir herüber, wartet auf eine Erklärung.
»Diese Vorliebe von dir – dein Wunsch, Macht über Frauen auszuüben, sie zu beherrschen und mit all dem Zeug zu quälen, das du im Schrank aufbewahrst, den Peitschen und Ketten und Handschellen –, all das ist Teil einer männlichen Phantasie, die die männliche Libido hochpeitschen soll. Frauen haben keinen Spaß daran, so behandelt zu werden. Es ist eine Phantasie, die mit der Realität nichts zu tun hat.«
Er nickt zustimmend. »Du hast wahrscheinlich recht – was die Mehrheit der Leute betrifft. Aber bei dir funktioniert diese Phantasie.«
Als ich widerspreche, macht sich ein Grinsen auf seinem Gesicht breit. »Doch, das tut sie«, sagt er. »Du brauchst es jetzt noch nicht zuzugeben, aber irgendwann wirst du soweit sein. Es ist nur eine Frage der Zeit.«
Ich habe keine Lust, mit ihm über diesen Punkt zu diskutieren. Ich lausche der Fanfare eines Vogels, der draußen vor sich hin tiriliert. Ich höre das dumpfe Geräusch, mit dem eine Zeitung vor der Haustür landet.
»Weißt du, was ovulare Verschmelzung ist?« frage ich ihn nach einer Weile. Er schüttelt den Kopf, und ich sage: »Man versteht darunter die Verschmelzung zweier Eizellen. Natürlich käme dabei nur weiblicher Nachwuchs heraus. Es hat im Experiment mit Mäusen funktioniert, und irgendwann wird es auch beim Menschen möglich sein. In der Zukunft werden wir keine Männer mehr brauchen, um uns fortzupflanzen. Wir werden überhaupt keine Männer mehr brauchen. Euer aggressives und dominantes Verhalten hatte einmal seinen Sinn. Historisch gesehen brauchten wir die Männer und ihre Aggressionen, um zu überleben. Aber die männliche Neigung zu raubtierähnlichem Verhalten ist der Menschheit nicht mehr von Nutzen, und wenn ihr es nicht reduziert, dann ist euer Geschlecht wie der Dinosaurier zum Aussterben verurteilt. Falls
die Menschheit in Hunderttausenden von Jahren überhaupt noch existieren wird, wird sich euer Geschlecht entweder angepaßt haben oder von der Erde verschwunden sein. Frauen mögen eine biologische Uhr haben, die ihre gebärfähigen Jahre begrenzt, aber Männer haben eine geologische Uhr – eine Uhr, die ihre Existenz als Geschlecht begrenzt. Wir entwickeln uns zu einer eingeschlechtlichen Spezies. Frauen werden keine Männer mehr brauchen; wir werden all unsere Bedürfnisse mit anderen Frauen erfüllen. Eure geologische Uhr tickt.«
M. lächelt schon eine ganze Weile, und jetzt lacht er. »Das mag durchaus stimmen. Aber ich brauche mir über dieses Problem nicht den Kopf zu zerbrechen. In Hunderttausenden von Jahren werde ich nicht mehr dasein, und im Hier und Jetzt brauchen die Frauen noch Männer. Und du speziell, Nora, brauchst einen bestimmten Typ von Mann. Du brauchst jemanden wie mich. Alles, was du an den Männern verachtest – ihre Aggressivität, ihr dominantes Verhalten –, das magst du im Bett. Du brauchst die Wildheit und die Stärke und die Männlichkeit eines Männerkörpers. Im sexuellen Bereich willst du ihn rauh und raubtierhaft.« Er setzt sich auf und sieht mich an. »Du magst hartes Fleisch und Muskeln, Nora. Du magst einen richtigen Schwanz – darauf läuft es letztendlich hinaus.«
Er steht auf und kommt zu mir herüber. Schweißtropfen rinnen über seinen muskulösen Bauch. »Dein Problem ist, daß die Evolution bei dir noch nicht so weit fortgeschritten ist, daß du auf mich verzichten kannst. Dein Verstand sagt dir das eine; deine instinkthaften Triebe sagen etwas anderes. Du wirst
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