Brennende Fesseln
Eine wilde Leidenschaft, die er noch nicht auf meinen Körper losgelassen hat, schwelt in ihm und wartet darauf, in Flammen aufgehen zu können. Vor ein paar Wochen habe ich ihn gefragt, warum er den Rohrstock nicht einsetzt – ich bat ihn nicht darum, sondern wollte bloß seine Beweggründe wissen –, und er antwortete: »Noch nicht. Mit einem Rohrstock könnte ich allzu leicht deine Haut verletzen, und dafür bist du noch nicht bereit.«
Noch nicht bereit. Franny war nie dazu bereit. Trotzdem hat er ihre Haut verletzt und sie schließlich getötet.
»Aber bald«, fügte er hinzu, »wirst du bereit sein. Dann bekommst du den Rohrstock zu spüren, mein Kätzchen.«
Er vermittelt mir das Gefühl, wie ein Haustier erzogen zu werden, und der Name, den er mir jetzt so oft gibt – Kätzchen – bestärkt mich nur in meiner Meinung. Als er anfing, mich so zu nennen, hielt ich es zunächst für einen Kosenamen wie Liebling oder Schatz . Aber für ihn ist es eine Bezeichnung, mit der er seinen Besitzanspruch zum Ausdruck bringt. Ein Haustier
erzieht man, ein Haustier bestraft man, ein Haustier besitzt man. In seinen Augen bin ich das Pendant zum Familienhund, sein Eigentum, das er erziehen und über das er nach Belieben verfügen kann. Sein Eigentum, das er nach Lust und Laune züchtigen kann. Warum ich trotzdem immer wieder zu ihm gehe, ist mir selbst nicht ganz klar. Sicher, ich fühle mich gezwungen herauszufinden, was er Franny angetan hat. Ich habe ein Bedürfnis nach Wissen, das über bloße Neugier hinausgeht, aber die Gründe, warum ich immer wiederkomme, sind wesentlich komplizierter. Es sind Gründe, die ich nicht genau formulieren kann.
Ich gebe zu, daß ich ein Stück weit durch mein eigenes Zutun in M.s dunkle Welt hineinrutsche. Ich weiß, daß ich daran nicht unschuldig bin. Aber M. hat einen verderblichen Einfluß auf seine Mitmenschen. Er findet ihre Schwachstellen und nutzt sie aus. Frannys Schwäche bestand darin, daß sie bereit war, für die Liebe dieses Mannes alles zu tun. Im Gegensatz zu mir konnte sie seine quälerische Art von Sexualität nicht genießen, ließ ihn aber trotzdem gewähren. Und ich, warum lasse ich ihn gewähren? Wegen der ungeheuren Lust, die auf den Schmerz folgt? Um mehr über Franny zu erfahren? Weil ich irgendwie das Gefühl habe, die Strafe zu verdienen? M. kannte mich von Anfang an besser, als mir bewußt war. Er wußte, noch bevor ich es selbst wußte, daß ich mich ihm unterwerfen würde, genau wie Franny, wenn auch aus anderen Gründen. Er erkannte meine Schwäche und nutzte sie zu seinen Gunsten aus, um seinen Spaß zu haben. Es stimmt, daß ich mich zu ihm und seiner Sexualität hingezogen fühle, aber mir ist ebenso klar, daß ich nicht mit ihm zusammen wäre, wenn ich das Gefühl hätte, die Wahl zu haben. Er entblößt einen Teil meiner Seele, den ich lieber nicht entblößt sehen würde. Ich will nicht in seiner Welt sein, aber ich weiß nicht, wie ich da wieder herauskommen soll.
Es ist Samstag, und er hat mich eingeladen, am Nachmittag
zu ihm zu kommen. Ich gehe unter die Dusche und ziehe mich an. Ich entscheide mich für alte, ausgewaschene Jeans und ein schmuddeliges graues T-Shirt. Er sieht mich lieber in kurzen Röcken, engen Kleidern, Spitzendessous, Strapsgürteln und schwarzen BHs. Aber in letzter Zeit ziehe ich mich aus Protest weniger schön an – meist trage ich zerrissene Bluejeans, Overalls, wadenlange, sackförmige Kleider und altjüngferliche Unterwäsche. Ich unterwerfe mich zwar seiner Herrschaft, aber ich mache es ihm nicht leicht. Es fällt mir schwer, mich kampflos zu ergeben.
Am Randstein vor M.s Haus parkt ein weißer Goodwill-Laster. Ein Fahrer ist nicht zu sehen, die Hintertüren sind aufgerissen, und eine Laderampe ist ausgezogen. M.s Haustür steht weit offen; als ich eintrete, wirft er mir einen kurzen Blick zu und lächelt wissend. »Hab deinen Spaß, solange du noch kannst«, sagt er und mustert meine Jeans und das schlampige, übergroße T-Shirt mit kritischem Blick. Er dagegen wirkt in seiner leichten Leinenhose und dem weichen, kastanienbraunen, am Hals offenen Hemd sehr schick, fast erotisch. »Du wirst bald lernen, entgegenkommender zu sein.«
Ich setze zu einer Antwort an, aber dann höre ich im hinteren Teil des Hauses Stimmen. Zwei Männer erscheinen, einer um die Fünfzig, der andere an die zwei Jahrzehnte jünger. Die beiden tragen die Walnußkommode, die im hinteren Gästezimmer stand.
»Paß auf die Ecke
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