Brennende Fesseln
auf«, sagte der ältere Mann barsch. Er ist nicht besonders groß und sieht aus wie ein alternder Schauermann – rund um die Taille hat er ein paar Extralagen Fleisch angesetzt, aber er wirkt trotzdem fest und muskulös, als wäre jedes Pfund unter dem enganliegenden weißen T-Shirt straff auf seinen Körper gepackt. Sein ehemals schwarzes Haar ist schon ziemlich grau, und er hat das zerfurchte, gegerbte Aussehen eines Mannes, der es gewöhnt ist, sein Leben im Freien zu verbringen.
Der andere Mann, der lockiges Haar hat, stämmig gebaut ist und einen grauen Jogginganzug trägt, schürft sich an der Ecke die Finger auf und flucht. Sie tragen die Kommode zur Haustür hinaus.
»Was geht denn hier vor sich?« frage ich.
M. legt mir eine Hand auf die Schulter, beugt sich zu mir herunter und küßt mich leicht auf den Hals.
»Das hatte ich schon lange vor«, sagt er sanft. Ich fühle seinen Atem auf der Haut, die kaum spürbare Berührung seiner Lippen. »Ich habe entschieden, daß ich keine zwei Gästezimmer brauche. Eines reicht.«
Die Männer von Goodwill kommen zurück und verschwinden in Richtung Gästezimmer. Als sie wieder auftauchen, tragen sie den Bettrahmen, einen Nachttisch und eine Lampe. Der ältere Mann nickt M. kurz zu und verläßt wortlos das Haus. Der stämmige Mann bleibt stehen, stellt den Nachttisch auf seinem rechten Bein ab und sagt: »Wir haben jetzt alles. Nochmals vielen Dank für die Schenkung. Das sind wirklich schöne Sachen.« Er hievt den Nachttisch hoch und trägt ihn hinaus. M. schließt hinter ihm die Tür. Dann nimmt er mich an der Hand und führt mich den Gang hinunter zum hinteren Gästezimmer. Der Raum ist völlig leer, alle Möbel, Teppiche, Vorhänge, Bilder sowie sämtlicher Krimskrams sind verschwunden. Der Raum wirkt mit seiner hohen, von Holzbalken durchzogenen Decke wie ausgehöhlt.
»Was hast du vor?« frage ich.
Er sieht mich an, anwortet nicht gleich. So ohne Möbel und mit seinen weißen Wänden wirkt der Raum kahl und viel größer als zuvor. An der Westseite läßt ein großes Erkerfenster Licht herein. Sonnenstrahlen fallen auf den Holzboden.
»Ich habe mir gedacht, ich könnte ein Spielzimmer daraus machen«, sagt er schließlich. Nach einem Blick auf meine Kleidung fügt er hinzu: »Aber angesichts deines Starrsinns werde ich es wohl Erziehungszimmer nennen müssen.«
Da ist es wieder: Starrsinn. Nicht Neugier, sondern Starrsinn hat die Katze das Leben gekostet. Etwas, das Franny nie gelernt hat. Etwas, das du lernen solltest, bevor es zu spät ist. Ich lache nervös, aber M. lächelt nicht. Seine Augen, die im gebrochenen Licht gefährlich glitzern, lassen mich verstummen. »Was ist ein Erziehungszimmer?« frage ich.
Wieder schweigt er. Ich spüre die Gefahr, als wäre sie ein greifbarer Gegenstand, scharf und spitz wie Stacheldraht. Erziehungszimmer. Allein der Klang des Wortes läßt mich schaudern.
M. nimmt meine Hand. »Das wirst du bald genug herausfinden«, sagt er. Dann führt er mich in sein Schlafzimmer und befiehlt mir, mich auszuziehen. Er setzt sich auf einen Stuhl mit gerader Rückenlehne und sieht mir zu. Ich gehe zum Bett hinüber und ziehe meine Tennisschuhe und Socken aus, pelle mich aus meinen Jeans, ziehe mir das graue T-Shirt über den Kopf. Die Vorhänge sind offen, und Sonnenlicht erhellt den Raum. Meine Sachen liegen als Häufchen zu meinen Füßen.
»Weiter!« sagt er, als ich zögere, und ich ziehe meinen einfachen weißen Slip und den BH aus. Nackt stehe ich im weichen, sanft strahlenden Licht der Nachmittagssonne und warte auf weitere Anweisungen. Er greift in eine Schublade seiner Kommode und zieht ein schwarzes Seidenband heraus.
»Nein«, sage ich. Ich stecke noch nicht so tief in seiner Welt, daß ich in diesem Punkt nachgebe. Ungeachtet seiner Beteuerungen, er werde mir nichts tun, werde ich nicht zulassen, daß er mich festbindet. Ich werde mich ihm nicht völlig unterwerfen. »Nein«, wiederhole ich. »Ich werde nie zulassen, daß du mich auf irgendeine Weise fesselst.«
Er kommt herüber und legt das Band auf den Nachttisch. Dann setzt er sich auf die Bettkante und zieht mich auf seinen Schoß.
»Du hast doch keine Angst mehr vor mir, oder?« fragt er. Während er mit sanfter Stimme in mein Ohr flüstert, streichelt er meinen Körper. »Laß einfach los, Nora. Du kannst mir vertrauen.
Ich weiß, wie weit ich gehen kann. Du genießt den Schmerz, aber du hast Angst davor. Bei mir brauchst du keine Angst zu haben.
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