Brennende Fesseln
mehreren Wochen geführt haben. »Du hast mir irgendwann erzählt, du hättest manchen Frauen mehr gegeben, als sie wollten.«
»Nur, weil sie mehr wollten – und mehr ertragen konnten –, als ihnen bewußt war. Ich habe sie nicht gezwungen, etwas zu tun, das sie nicht wollten, Nora. Sie sind immer wiedergekommen und wollten noch mehr.«
»Hat dir das Spaß gemacht? Wenn sie geblutet haben?«
»Ja.«
»Hat Franny auch geblutet?«
»Nein.«
Ich wäge seine Antwort ab und komme zu dem Schluß, daß er lügt. »Was ist mit mir? Werde ich bluten?«
Er schiebt mir die Haare hinters Ohr und küßt mein Ohrläppchen. »Wir werden sehen«, sagt er. Dann fügt er hinzu: »Vielleicht.«
Ich schweige eine Weile. Er schweigt ebenfalls, läßt mir Zeit, über seine Worte nachzudenken. Ich muß zusehen, daß ich von hier wegkomme, sofort, bevor er mir etwas tut, bevor es zu spät ist, aber ich kann nicht. Bis ich herausgefunden
habe, was er Franny angetan hat – wie er sie umgebracht hat –, kann ich nicht weg. Meine Gedanken rasen, weil ich plötzlich von dem Gefühl überwältigt werde, daß mich ein schreckliches Schicksal erwartet, auf das ich keinen Einfluß habe. M. spürt meine Angst.
Sanft sagt er: »Keine Sorge. Ich bin kein gewalttätiger Mann, und ich werde dich nie aus Wut schlagen. Ich genieße es nur im sexuellen Bereich, meine Frauen zu dominieren. Ich war zweiunddreißig, als mich zum ersten Mal eine Frau darum bat, sie zu fesseln. Das Gefühl, die absolute Kontrolle auszuüben, war sehr erhebend. Ich konnte mit ihr machen, was ich wollte.« Er lacht leise, dann fährt er fort: »Sie war zu der Zeit meine Vorgesetzte, die Leiterin der Musikabteilung, und mit ihren siebenundvierzig Jahren um einiges älter als ich. Eine starke, harte Frau. Aber im Bett wollte sie die ganze Verantwortung abgeben – da sollte jemand anders die Kontrolle übernehmen. Und an dem Abend, als ich sie das erste Mal fesselte und ihr mit der Hand eine leichte Tracht Prügel verpaßte, stellte ich fest, daß es sich unglaublich gut anfühlte, die Führungsrolle zu übernehmen und soviel Macht zu haben. Es war ein Rollentausch, der uns beiden Spaß machte und den ich auch dann noch praktizierte, als die Beziehung längst vorbei war. Ich mag es, wenn meine Frauen gehorchen.«
Ich setze zu einer Antwort an, aber er spricht weiter, noch ehe ich ein Wort herausbringe. »Frag mich nicht, warum«, sagte er. Er hat erraten, was ich ihn fragen wollte. »Möglicherweise gibt es keine psychologische Erklärung dafür. Ich habe gern die dominierende Rolle – basta. Das ist ein Teil von mir, ein Teil meiner Psyche, genau wie es ein Teil ihrer – und deiner – Psyche ist, unterwürfig zu sein. Ich genieße es, Frauen zu fesseln, und es macht mir Spaß, ein nacktes Hinterteil mit einem Schläger zu bearbeiten. Ich gehe bei verschiedenen Frauen unterschiedlich weit. Ich genieße es, dich mit meinem Gürtel zu versohlen. Das erregt mich. Ich bekomme dabei sofort
eine Erektion. Ich werde dich mit meinem Schläger bearbeiten, mit der neunschwänzigen Katze und der Reitgerte und mit allem, was mir sonst noch einfällt. Ich werde deinen Hintern peitschen, deine Oberschenkel, deinen Rücken, deine Brüste, ja sogar deine Möse. Eines aber werde ich nicht tun, es sei denn, du bittest mich darum: deine Haut ernsthaft verletzen oder es so weit treiben, daß du blutest. Die Strafen, die ich dir auferlege, haben nichts mit Gewalt zu tun, sondern mit Kontrolle und Dominanz. Du kannst mir wirklich vertrauen, Nora.«
Es klingt überzeugend, und trotzdem frage ich mich, ob er diese Rede auch Franny gehalten hat, kurz bevor sie starb. Ich traue ihm noch immer nicht. Ich bleibe bei meiner Weigerung, mich fesseln zu lassen, und M. beharrt nicht weiter darauf. Er fordert mich auf, mich aufs Bett zu setzen, dann zieht er seine Schuhe und Socken aus und macht seinen Gürtel auf. Er zieht den Gürtel aus den Schlaufen der Hose, und ich halte den Atem an und warte angespannt, ob er ihn benutzen wird. Mir ist klar, daß ich ihm durch meine Weigerung, mich fesseln zu lassen, einen Grund gegeben habe, mich zu bestrafen. Aber er steht auf und durchquert das Zimmer, legt den Gürtel auf die Kommode. Ihm ist anzumerken, wie sehr er es genießt, mich im Ungewissen zu lassen.
»Ich habe etwas, das du dir ansehen sollst«, sagt er und nimmt mich bei der Hand. Wir gehen ins Arbeitszimmer hinüber. Er befiehlt mir, mich aufs Sofa vor den Fernseher zu setzen und
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