Brennende Hunde
die Turner-Hütte gemietet, und er zeigte
ihnen auf der Karte, die Dr. Chairman gekauft und mitgebracht hatte, wo sich
die Hütte befand. Anschließend kehrten sie ins Hotel zurück und gaben Dubois
Bescheid, wohin sie aufbrechen würden. Falls sie in zwei Tagen nicht zurück wären,
so Chairman, sollte er den Sheriff informieren.
„So, Sie wollen den beiden tatsächlich nach?“ fragte
Dubois und musterte Dess, der wie immer einen Dreiteiler trug. „Sir, ich sage
Ihnen, in diesen Klamotten sind ihre Überlebenschancen da draußen nicht größer
als die eines Kaninchens in ’ner Schlangengrube. Sie sind erledigt, sobald sie
die Straße verlassen.“
„Würde schwer sein, in Dawson etwas Passenderes in meiner
Größe zu finden“, erwiderte Dess.
„Seh’ ich genauso, Sir. – Trotzdem mein Rat: Bleiben Sie
hier. Beauftragen Sie Sheriff Carlight, Riley und seine Freundin zu finden. Er
kennt sich in der Gegend hier aus.“
„Nein, danke!“ entgegnete Dess. „Und keine Angst, ein
Mann wie ich geht nicht so leicht verloren.“
Ein vorschnelles Urteil, das Dess inzwischen bereute. Nur
noch Schultern, Arme und sein Kopf ragten aus dem Schlamm. Wenn Dr. Chairman
ihn bei ihrer Rückkehr noch vorfinden wollte, mußte sie sich beeilen. Mehr als
fünfzehn Minuten, so schätzte Dess, blieben ihm nicht. Immerhin hieß es,
Schlammkuren wären gut für die Haut; wenn der Tod nach ihm griff, würde sein
Leichnam also wenigstens mit einem makellosen Teint aufwarten können.Dess
spürte, wie er unaufhaltsam weiter versank. Längst hatte er zu rufen begonnen,
brüllte Dr. Chairmans Namen in den Wald und ängstigte mit seiner Stimme einige
Karibus beinah zu Tode.
Gegen Mittag hatten sie einige Höhenzüge überschritten,
danach hatte sich sich der Boden zu neigen begonnen, war weicher und feuchter
geworden. Das Gehen in diesem unwegsamen Gelände fiel beiden nicht leicht, doch
für einen Mann mit den Ausmaßen von Dess war es eine Tortur. Mehrmals machten
sie Rast. Gegen Nachmittag dann hatte sich die Landschaft geändert. Alles
wirkte frischer, lebendiger, weniger schroff. Die Bäume waren höher, überall
blühten Blumen, Moospolster breiteten sich wie Teppiche aus. Ab und zu
erblickten sie Eichhörnchen, die sie aufgescheucht hatten, und in der Ferne waren
zwischen den Baumwipfeln manchmal Berge zu sehen. Würden sie die Turner-Hütte
heute noch finden, oder würden sie womöglich im Freien übernachten müssen, hatte
Dess sich gefragt. Die Aussicht, im Schlaf eventuell von einem Bären angefallen
oder schlimmer, aufgrund seiner Körpermaße mit einem paarungsbereiten Weibchen
verwechselt zu werden, hellte seine Laune nicht auf.
Derlei Überlegungen wurden unterbrochen, als Dess
feststellte, daß er plötzlich keinen festen Grund mehr unter seinen Füßen
hatte. Schnell steckte er bis zu den Knien im Schlamm. Dr. Chairman, die ein
Stück vorausgelaufen war, hörte ihn rufen und kehrte zurück.
„Nicht weitergehen!“ warnte er sie. „Sonst versinken auch
Sie.“ Dess stand bereits bis zur Gürtelschnalle im Schlamm.
Sie hatten kein Seil mitgenommen, womit sie sich als
reinrassige Cheechakos erwiesen, und per Mobiltelefon Hilfe herbeizurufen, machte,
mitten im Nirgendwo, keinerlei Sinn. Bis ein Rettungstrupp eintreffen konnte,
wäre es für Dr. Chairmans Begleiter zu spät.
Die Profilerin suchte nach einem Ast, der lang genug war,
daß er von der Stelle, an der sie nun stand, bis zu Dess reichen würde. Doch
der einzige stabile Ast, der sich auffinden ließ, war um gut anderthalb Meter
zu kurz.
„Sie sind zu weit weg. Ich muß näher ran“, sagte sie.
„Bleiben Sie, wo Sie sind. Wenn Sie auch hineinrutschen,
haben wir ein echtes Problem.“
„Okay, was schlagen Sie vor?“
„Suchen Sie die Hütte und holen Sie Hilfe. Und kommen Sie
nicht auf die Idee, unterwegs Blumen zu pflücken.“
Doch Dr. Chairman blieb länger weg, als gut für ihn war.
Er steckte inzwischen bis zum Kinn im Morast. Nüchtern begriff er, daß Dr. Chairman
zu spät kommen würde. Es war aus und vorbei. Die Wildnis hatte sich als
übermächtig erwiesen. Seine Gedanken schweiften zu Sui Lee, die ihren Norweger
vermutlich geheiratet hatte und nicht mehr an ihn dachte, und Dess begriff, daß
sein Leben nutzlos gewesen war, eine ungenutzte Chance, ein vergeudeter Traum.
Der Tod näherte sich. Unaufhaltsam. Zentimeter um
Zentimeter kroch er heran. Als der Morast bis an die Nasenlöcher reichte, legte
Dess den Kopf in den Nacken. Über
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