Brennende Hunde
Eitelkeit
und Schönheit suspekt. Sie nahm zu und verdrängte, daß sie eine Frau war und
von Sehnsucht erfüllt.
***
„Heilige Scheiße!“ stieß Aldous Thareaux zwischen den
Zähnen hervor, als er die Kreatur aus dem Wald heraustreten sah, die nun eilig
auf ihn zugerannt kam. Im ersten Moment hatte er sie für ein Wesen gehalten,
wie sie in den Märchen der Indianer vorzukommen pflegten – wild und abscheulich,
ein böser Geist auf der Jagd. Nun glaubte er zu erkennen, daß es sich um eine
Frau zu handeln schien, war sich aber nicht sicher. Ihr Haar war in Unordnung geraten
und auf ihrem Gesicht rote Striemen zu sehen, und sie bewegte sich mit der
brutalen Eleganz einer Seekuh an Land. Selten hatte Thareaux ein beeindruckenderes
Weibsbild gesehen.
„Schnell!“ rief sie ihm zu. „Schnell, Sie müssen mir
helfen!“
„Alles, was Sie wollen, Lady“, sagte Thareaux. „Aber
vielleicht erzählen Sie mir erst mal, worum es eigentlich geht.“
Doch Dr. Chairman war zu sehr außer Atem, um lange
Erklärungen abzugeben. Sie betrat die Hütte, die Thareaux im Sommer bewohnte,
um in seiner kleinen Mine zu schürfen, und blickte sich um. Gleich darauf kam
sie mit einem Seil wieder heraus.
„Mein Freund versinkt im Morast!“ keuchte sie und lief
schon wieder auf den Waldsaum zu. Thareaux spuckte aus, griff nach einem
Rucksack, in dem sich Werkzeug befand, und folgte der Frau. Er hatte begriffen,
daß die Situation offenbar ernst war. Immer dasselbe mit diesen Cheechakos. Sie
zogen in die Wildnis, als würden sie ein Theater besuchen. Und plötzlich
stolperten sie, stürzten in Schluchten und Flüsse oder versanken im Boden. Städter
waren zu den dummen Kobolden des Waldes geworden. Immerzu steckten sie in
Schwierigkeiten, immerzu brauchten sie Hilfe. Man begegnete ihnen freundlich, so
wie man auch dem Dorfidioten freundlich begegnet, wenn man ihn trifft. Sie
konnten lästig werden, insgesamt aber waren sie harmlos.
Als sie endlich die Stelle erreichten, von wo Dr.
Chairman aufgebrochen war, gab sie einen Schrei von sich. Dess war nicht mehr
zu sehen.
***
Sealand öffnete den Schlag der Stretch-Limousine, um den
Mann, mit dem er sich verabredet hatte, in den Wagen zu lassen. Die Dinge
hatten begonnen, außer Kontrolle zu geraten, und darum hatte Sealand
beschlossen, sie wieder in die richtigen Geleise zu bringen. Love zu
engagieren, war ein Fehler gewesen. Seine erste Ahnung hatte nicht getrogen.
„Hi, Mr. Sealand!“ sagte der Schwarze.
Sealand gab dem Fahrer ein Zeichen, und die Limo fuhr
los.
„Alles erledigt?“ fragte Sealand den Mann.
„So gut, wie man nur irgendwas erledigen kann.“
„Wie?“
„Erschossen. In einem Motel. Ich habe ein paar Fotos
gemacht, damit Sie sehen, ich nehme meine Aufträge ernst.“
Er überreichte Sealand einige Fotos und fügte hinzu: „Das
Motel existiert übrigens nicht mehr. Unglücklicherweise ist es kurz nach Loves Ableben
in die Luft gesprengt worden.“
„Schön, hier ist ihr Geld“, entgegnete Sealand. „Soll ich
Sie irgendwo absetzen lassen?“
„Gern. Lassen Sie mich irgendwo in Downtown raus.“
Sealand gab dem Fahrer Bescheid. Die restliche Fahrzeit
schwiegen die Männer, und Sealand dachte an McCullum, von dessen Tod er aus der
Zeitung erfahren hatte. Ein anderer Mann stand nun an der Spitze von World
Records, ein gewisser Charles Wagner, den Sealand als unfähig einschätzte und
von dem keinerlei Gefahr ausging. Gras würde über alles wachsen; die Welt war
wieder im Lot.
Die Limousine hielt, und der Schwarze stieg aus.
„Es war mir ein Vergnügen, Mr. Sealand! Falls Sie mich
wieder brauchen – Sie haben meine Nummer.“
Vom Bordstein aus blickte er dem Wagen nach. Dann
lächelte er. Kein Zweifel, Sealand war noch dümmer als die anderen es waren.
***
Thareaux verlor keine Zeit. Er öffnete den Rucksack und
holte die Dynamitstangen raus. Dann blickte er zu diesem fabelhaften Weibstück
hinüber.
„Wir sprengen den Schlamm einfach weg“, erklärte er ihr.
Er zückte ein Feuerzeug, entzündete die Lunte und warf
das Dynamit in den schlammigen Pfuhl, etwas seitlich von jener Stelle, wo den
Worten der Lady zufolge vor kurzem noch ein korpulenter Mann gewesen sein mußte.
Blitzschnell entzündete er eine zweite und dritte Stange und warf sie ebenfalls
in den Morast.
Das Zischen der abbrennenden Lunten mischte sich mit dem
Zirpen der Vögel. Thareaux war zu Dr. Chairman getreten und hatte sie
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