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Brennende Kälte

Brennende Kälte

Titel: Brennende Kälte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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durch die Gesetze und Verordnungen, die ihm in den Sinn kamen. Aber er fand keine, die gegen Jakobs Aktion sprachen.
    »Flugblattaktionen muss man doch anmelden«, sagte er, nicht ganz überzeugt.
    »Das sind Flyer. Flugblätter klingt eher nach – deiner Zeit«, sagte der Junge und steuerte erneut auf einen Porsche Cayenne zu.
    »Diese Kiste bläst fast 400 Gramm CO 2 in die Luft. Pro Kilometer«, sagte Jakob und klemmte einen seiner Flyer hinter den Scheibenwischer. »Dreckschleuder ist echt noch ein höflicher Ausdruck.«
    Dengler folgte ihm zögernd.
    »Mama meinte, dass du das bestimmt nicht gut findest«, sagte Jakob. »Einmal Bulle – immer Bulle, hat sie gesagt.«
»So ein Quatsch«, sagte Dengler.
    Und dann: »Gib mir mal einen Stapel.«
    Jakob griff grinsend in seine Tasche.
    Dann machten sie sich zu zweit an die Arbeit.
    Den Mann, der sie dabei verfolgte, bemerkten sie nicht.

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    Höllenfeuer
    Als der Kirchturm drei Uhr schlug, wachte Georg Dengler auf. Es war nachtstill in seiner Wohnung, aber er spürte die Gefahr. Etwas war da. Hier. In seiner Wohnung. Leise rief er Olgas Namen. Niemand antwortete. Dann lag er bewegungslos, hellwach und horchte. Draußen regnete es. Mehr hörte er nicht. Trotzdem: Er war nicht allein in der Wohnung.
    Leise schob er die Bettdecke zur Seite, wartete einen Moment, bevor er aus dem Bett glitt. Er war sich sicher, dass jemand in der Wohnung oder im angrenzenden Büro war.
    Im Halbdunkel sah er sich nach einer Waffe um. Seine Pistole lag im Safe des Büros, war im Augenblick also unerreichbar für ihn. Und er war nackt. Schlechte Voraussetzungen, um einem Einbrecher entgegenzutreten. Vorsichtig griff er nach der hölzernen Marienstatue. Er hielt sie in der erhobenen Rechten, bereit zum Zuschlagen, und schlich hinüber zur Küchentür, drückte leicht dagegen, bis sie sich öffnete.
    Nichts.
    In der Küche war kein Einbrecher. Auf Zehenspitzen ging er hinüber zum Wohnzimmer, dessen Tür er immer offen stehen ließ. Aber auch da war niemand zu sehen.
    Blieb nur noch das Büro. Dessen Tür war geschlossen. Vorsichtig, sich für jeden Schritt Zeit nehmend, bewegte sich Dengler hinüber und legte sachte sein Ohr an die Tür. Er lauschte und hörte – nichts. War der Mann auf der anderen Seite gewarnt? Hatte er ihn gehört?
    Ihm wurde kalt. Blitzschnell drückte er die Klinke herunter und sprang mit einem Satz, die Marienstatue in der erhobenen Hand, in den Raum – bereit zum Zuschlagen.
    Sein Büro war leer.
    Es gab keinen Einbrecher.
    Erstaunt registrierte er, dass er mehr enttäuscht alserleichtert war. Wie hatte er sich so irren können? Er wäre jede Wette eingegangen, dass jemand in seine Wohnung eingedrungen war. Hatten ihn seine Polizeiinstinkte verlassen?
    Ratlos ging er zurück ins Schlafzimmer, stellte die Mutter Gottes zurück auf ihr Podest und kroch unter die Bettdecke. Das Adrenalin, das durch seine Blutbahnen schoss, sorgte dafür, dass er hellwach blieb. Dengler griff nach dem neuen Buch von Heinrich Steinfest, das in Stuttgart spielte, ihn aber nicht nur wegen der bekannten Schauplätze interessierte. Aber er konnte sich nicht konzentrieren. Schon nach drei Seiten merkte er, dass er vergessen hatte, was er noch eine Seite zuvor gelesen hatte. Er löschte das Licht und fiel in einen unruhigen Schlaf.
    Das zweite Mal weckte ihn ein stechender Schmerz in der Brust. Mit einer heftigen Bewegung riss er die Bettdecke zur Seite und fuhr sich mit der Hand den Oberkörper entlang. Er konnte den genauen Ort des Schmerzes nicht lokalisieren. Der Brustkorb brannte. Er knipste die Nachttischlampe an und untersuchte seine Brust. Leichte Rötungen. Mehr nicht.
    Aber das Brennen wurde unerträglich und trieb ihm Tränen in die Augen. Es fühlte sich an, als würde in seinem Innern ein Höllenfeuer wüten.
    Er sprang aus dem Bett und lief hinüber ins Bad. Er rieb seine Brust mit einem Waschlappen ab. Der Schmerz klang ab.
    Ich bin nicht mehr der Jüngste, dachte er. Ich muss zu einem Herzspezialisten gehen. Zu dumm, dass ich schon so lange keinen Gesundheitscheck mehr gemacht habe. Olga würde jetzt sagen, dass der Körper mir ein Warnsignal schickt.
    Nimm es ernst, würde sie sagen.
    Ich bin ein Mann mittleren Alters.
    Gerade als er den Waschlappen auf das Becken zurücklegte, erfolgte die zweite Attacke. Ein siedender Schmerz explodierte auf seinem Rücken. Seine Beine gaben nach. Er rutschte auf den Boden. Für einen kleinen Augenblick ließdas Glühen nach, aber

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