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Brennende Kontinente

Brennende Kontinente

Titel: Brennende Kontinente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Stoiko.«
    »Seid Ihr Euch sicher, Herr? Ich entsinne mich an die Geschichten über die Seelen der Verlorenen und welche Macht sie über Menschen ausüben. Bislang hielt ich sie für ein Märchen, bis Ihr und anscheinend Zvatochna mich eines Besseren belehrtet.« Er drückte seine Mütze tiefer auf seinen Kopf, die halblangen, graubraunen Haare verschwanden fast ganz darunter. Lodrik dachte nach, ging im Geiste seine bisherigen Erlebnisse durch. »Sei unbesorgt. Sie können mir nichts anhaben«, versicherte er ‐ und klang trotzdem nicht überzeugend.
    »Versprecht mir eines.« Stoiko suchte Lodriks Blick. »Falls Ihr jemals aus einer grausamen Laune heraus getötet haben solltet, weil es Euch als Nekromant gefiel, das Sterben zu sehen, bitte ich Euch: Lasst davon ab. Verschont Unschuldige!«
    Einen Augenblick lang glaubte Lodrik, dass Soschas Seele einen Weg gefunden hatte, mit Stoiko zu sprechen und ihm von dem Ereignis in Granburg zu berichten. Dort hatte er ein paar Bettler getötet, um ihre Seelen als Spürhunde zu gebrauchen. Er sah nach dem türkisfarbenen, leuchtenden Ball, der Soschas Seele darstellte und den nur er wahrnehmen konnte. Soscha befand sich nicht in der Kutsche. Wahrscheinlich umkreiste sie das Gefährt, um seine Anwesenheit nicht ständig ertragen zu müssen.
    »Ich... kann es dir nicht versprechen«, erwiderte er schwach. »Zudem sind Geister zu gute Verbündete, und ich werde jede Menge davon benötigen, um Zvatochna zu besiegen.«
    »Herr!« Stoiko sah ihn ernst und aufgebracht an, langte nach seiner Schulter. »Ihr nehmt die Leben von Unschuldigen!«
    »Um Unschuldige zu retten! Wenn ich töte, suche ich meine Geister sorgfältig aus. Es geht darum, Schlimmeres zu verhindern. Es macht für mich keinen Unterschied, ob ich einen Familienvater als Soldat aufs Schlachtfeld in den Tod führe oder ich mir seine Seele nehme.« Er sah den Vorwurf in den gealterten Zügen seines Freundes, und es traf ihn. »Verstehe doch: Es geht nicht anders, Stoiko. Ich beherrsche die andere, die bessere Art der Magie nicht mehr.«
    »Dann versucht, einen anderen Weg zu finden«, drängte Stoiko. »Für mich klingt es, als übernähme das Tote mehr und mehr die Herrschaft über Euch und machte Euch zu einer Hülle mit einem Inhalt aus Eis.« Er lächelte ihn mitleidig an. »Die Menschlichkeit, Herr. Erinnert Euch ihrer.«
    Es war genug für den heutigen Tag, dachte sich Stoiko. Lodrik hatte nun einiges zum Nachdenken und vermutlich
    in den wenigen Augenblicken mehr über sein Verhalten zu hören bekommen als in all der Zeit zuvor. Stoiko wusste, dass
    er sich längeren Gesprächen mit Norina entzogen hatte. Er schenkte sich einen Tee ein und blickte aus dem Fenster.
    Lodrik stützte die Stirn mit seiner Linken, schloss die Augen. Die Unterredung zwang ihn dazu, sich mit seinem Dasein auseinander zu setzen.
    Er stellte es sich sehr schwer vor, auf diese schrankenlose Autorität, die ihm die Nekromantie über das Leben verlieh, zu verzichten. Gleichzeitig waren die Worte seines Freundes tief in ihn vorgedrungen. Vielleicht hatte ihnen das Schuldgefühl, das er gegenüber Stoiko und Waljakov immer noch hegte, dabei geholfen und wie ein Bohrer durch seinen Panzer aus Gleichgültigkeit gewirkt. Beinahe hätte er Stoiko offenbart, wie sehr er das Gefühl von Macht genoss, Herrscher über Leben und Tod zu sein. Über Menschen und Seelen. Niemand konnte sich ihm mehr entziehen, weder in dieser noch in der jenseitigen Welt. Die überragende, allgegenwärtige Kontrolle ..
    »Zeigst du so etwas wie Reue, Bardric«, hörte er Soschas Stimme neben sich. »Ich bin beeindruckt.«
    Er ließ die Augen geschlossen. Er wollte die Seele nicht sehen und nicht mit ihr sprechen.
    »Stoiko hat dich getroffen? Dann gibt es noch Hoffnung, auch wenn ich die Vorstellung bedauere«, fuhr Soscha ungerührt fort. »Glücklicherweise weiß niemand, wie diese Hoffnung aussehen wird. Dein Tod würde mir am besten gefallen.« Soscha hielt sich nicht zurück. Sie hasste ihn für das, was er ihrer Familie und ihr selbst einst als Kabcar angetan hatte. Auch dass sie ihr Leben verloren hatte, kreidete sie ihm an. Seinetwegen hatte sie nach Ulsar reisen müssen und war auf Zvatochna gestoßen, die sie mit ihren nekromantischen Fähigkeiten umgebracht hatte. »Oder noch besser: Deine Seele wird gefangen sein. Wie meine. Das ist das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann.«
    Lodrik hob den Kopf, öffnete die Lider und setzte zu einer Entgegnung an, aber

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