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Brennende Kontinente

Brennende Kontinente

Titel: Brennende Kontinente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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nickte Aljascha zu. »Aber es kommt noch schlimmer für sie.« Sie hob die Linke und streifte den Schleier behutsam nach oben. Gealterte, straff über dem Knochen liegende Haut kam darunter zum Vorschein, rissige Lippen, eine dürre Nase, bis der totenschädelähnliche Kopf ganz zu sehen war.
    »Bei Ulldrael«, rief Aljascha erschrocken von dem Furcht erregenden Anblick und sprang auf.
    »Zvatochna?«
    Das Entsetzen verschloss Norina den Mund. Vor ihr saß eine Greisin, die etwa siebzehn Jahre zählte. Lodrik hatte Recht behalten: Seine Tochter war nach dem Tod durch ihre Magie ins untote Leben gerufen worden, genau wie er selbst. Deswegen die Kälte, der dürre Leib, die veränderte Stimme. Sie war tatsächlich eine Nekromantin und hatte sich als Elenja im Nachbarreich Borasgotan zur Kabcara emporgeschwungen, Norina zweifelte nicht daran, dass der frühe Tod ihres Gatten, des Kabcars Raspot von Borasgotan, auf ihr Zutun zurückging.
    Zvatochna lehnte sich nach vorn und kam Vahidin ganz nahe, der sie gleichmütig anblickte und eben vom Keks abbeißen wollte. Er fürchtete sich keinen Deut und ließ sich den Appetit nicht verderben.
    »Guten Tag, kleiner Bruder. Ich bin deine große Halbschwester.« Ihre Hand reckte sich nach dem Gebäckstück und entwand es den kindlichen Fingern. »Iss das nicht, kleiner Bruder. Zu viel Zucker bringt einen um.« Dabei wandte sie den Kopf zu ihrer Mutter. Und lächelte. »Es sei denn, du bist schon tot.«
    Aljascha griff sich an die Kehle, keuchte und schwankte zur Seite. »Was hast du ... ?«, hustete sie, in ihren grünen Augen standen Unverständnis und Angst. Sie stand auf, reckte die Arme und suchte verzweifelt nach Halt, während sie geradewegs auf den Kamin zu stolperte.
    »Mutter!« Vahidin hüpfte vom Stuhl und rannte zu ihr. Er konzentrierte sich und bewahrte sie mit seiner Magie davor, in die Flammen zu stürzen.
    Sie brach schwer atmend auf dem Teppich zusammen, der Schweiß rann aus ihren Poren und tränkte ihr Kleid. »Vahidin ... du ...« Aljascha rang wie eine Ertrinkende nach Luft. Es waren grauenvolle Geräusche, ihre Hände krallten sich in den Teppich, zogen ihn zusammen.
    »Nein. Hör auf, Mutter!«, weinte Vahidin hilflos und kniete sich neben sie. Er streichelte die roten Locken und wusste nicht, was er unternehmen konnte, während sie Blut und abgebissene Zungenstückchen ausspie; sie zuckte am ganzen
    »Gift?«, keuchte Norina und dachte an den Tee, von dem sie
    getrunken hatte.
    »Seid unbesorgt. Es traf nur sie.« Zvatochna wandte ihr mumifiziert wirkendes Gesicht Norina zu. Die Schönheit, die sie einmal besessen hatte, war vertrocknet und vergangen. Die Nekromantie verzehrte sie rascher als Lodrik. »Sie war niemals eine gute Mutter, aber nach ihrem Tod wird sie endlich zu etwas taugen. Ebenso wie Ihr, Norina. Ihr beide seid meine vollkommensten Puppen auf einer echten Bühne, auf der mein Stück aufgeführt wird. Und Ihr werdet nicht meine einzigen Puppen bleiben.«
    Zwei eiskalte Hände berührten Norinas Schultern, glitten liebkosend über ihren Oberkörper und über die Innenseite ihrer Schenkel; sie hörte ein leises Frauenlachen an ihrem linken Ohr.
    »Das ist Eure Henkerin, Norina. Sie freut sich sehr, Eure Seele streicheln zu dürfen«, erklärte Zvatochna und zog den Schleier wieder herab. »Ihr werdet Euch wundern, was man mit Seelen alles anstellen kann.«
    Die unsichtbaren Finger wanderten wieder nach oben und legten sich um Norinas Hals. Sie pressten sanft zu und erhöhten den Druck langsam, quälend.
    Zvatochna stand auf und ging hinüber zu Aljascha, die im Todeskampf lag. Ihr roter Speichel hatte das weiße Kleid und die Diamanten beschmutzt, rote Haarsträhnen hingen in ihre verzerrten Züge. »So, Mutter. Ich verlasse dich jetzt.« Sie fasste Vahidin am Oberarm. »Meinen Halbbruder nehme ich mit. Ich werde gut für ihn sorgen, das verspreche ich dir. Lebendig nutzt er mir mehr als tot. Sind seine Kräfte wirklich
    so stark, kann er es unter meiner Führung weiter bringen als
    mit dir.«
    Aljaschas Atmung verlangsamte sich, die Lunge arbeitete nicht mehr, wie sie sollte. »Vahidin«, hauchte sie würgend, Blut rann über ihre Lippen.
    »Nein! Ich will das nicht!«
    Der Junge hatte seine Kopflosigkeit besiegt und beugte sich über sie, legte eine Hand auf ihre Brust. Ein dunkelrotes Leuchten schoss aus seinen Fingern und breitete sich über seine Mutter aus. »Ich lasse dich nicht sterben.«
    Zvatochna packte ihn im Genick. »Nein,

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