Brennende Kontinente
getan?«
Norina versuchte vergebens durch den Schleier zu blicken. »Ihr wisst, wie die Vasruca von Kostromo und ich zueinander stehen, und dennoch ladet Ihr uns nach Amskwa an den gleichen Tisch ein?«
»Ich verstehe nicht«, kam es heiser von ihr hinter dem Schleier hervor.
»Ihr versteht sehr gut.« Norina lehnte sich nach hinten und brachte den Samowar zwischen sich und Vahidin. Sofort ließ der Schmerz in ihrem Verstand nach. Wie machte der Junge das? »Es ist besser, wenn ich gehe. Ruft meinen Gemahl.«
Aljascha legte die Hände zusammen und lächelte glücklich. Sie amüsierte sich offensichtlich ganz ausgezeichnet. »Du glaubst immer noch, dass Lodrik hier ist?«, fragte sie belustigt, wählte für sich ein Schälchen mit flüssiger Schokolade und beträufelte den Keks vor sich. »Er ist bald nur noch Ge‐
schichte. Wie du.« Genussvoll kostete sie.
»Du bist noch wahnsinniger als früher. Die Menschen in Kostromo haben mein tiefstes Mitgefühl«, befand Norina kopfschüttelnd und wandte sich an Elenja. »Habt die Güte und klärt dieses Zusammentreffen und Euren merkwürdigen Brief auf, Elenja, oder ich lasse den Palast auf der Stelle stürmen!« Sie hob die Hand, die Leibwächter traten nach vorn und zogen ihre Waffen. »Wo ist Lodrik? Ich schrecke nicht davor zurück, Eure Gemächer durchsuchen zu lassen.«
Elenja goss sich Milch in den Tee und rührte einen Löffel Kirschmarmelade hinein. »Ich schrieb, dass es um das Leben Eures Mannes gehe.« Sie lehnte sich zu Norina. »Und um meines.« Sodann beugte sie sich zu Aljascha. »Aber es betrifft auch die Zukunft der anwesenden Vasruca. Und Eure.« Sie hob den Schleier leicht an, damit die Tasse darunter passte, und trank, ohne ihr Gesicht zu zeigen. »Wir sind drei Frauen, die eng miteinander verbunden sind. Durch Lodrik.«
Norina runzelte die Stirn. Ihre Kehle war vor Aufregung trocken, sie trank etwas von dem Tee. »Also ist Lodrik nicht hier?«
Vahidin nahm sich einen Nusskeks und schielte an dem Samowar vorbei, suchte den Blick Norinas. Er glich Mortva tatsächlich sehr und würde zu einem gut aussehenden Mann werden. Eine hübsche Schale für einen faulen Kern.
Elenja stellte die Tasse langsam ab und schickte die Bediensteten mit einer Handbewegung hinaus.
»Ihr habt Recht, geschätzte Freundin.« Sie legte ihre Hand auf die von Aljascha. Das Schwarz des Handschuhs und die helle Haut der Frau bildeten einen starken Kontrast, der durch das Funkeln des Diamantarmbandes der Vasruca unterstrichen wurde. »Wir haben ein Bündnis geschmiedet, Aljascha und ich. Gegen Euch und Lodrik. Denn wir beide sind der Meinung, dass Ihr stört und den Tod verdient habt. Mit Euch wollen wir beginnen.«
Urplötzlich wurde Norina von Eis umgeben. Dutzende kalte, unsichtbare Hände hielten sie an den Schultern, Armen und Beinen fest, pressten sie auf den Stuhl. Ihr Aufbäumen fruchtete nicht. Gegen die Kräfte blieb sie machtlos.
Hinter und neben ihr erklang das Röcheln und Gurgeln ihrer Leibwächter, es rumpelte und schepperte, als einer nach dem anderen auf den Boden stürzte; ein Helm rollte über den Teppich und an ihren Füßen vorüber, dann war es still.
Vahidin lächelte böse. Er goss sich Zuckerguss über seinen Keks und schaute suchend über den Tisch, dann öffnete er die Finger. Vom anderen Ende des Tisches erhob sich der Tiegel mit den Krokantstückchen und flog in seine Hand. Er zwinkerte Norina zu und zeigte ihr dabei kurz magentafarbenen Augen mit dreifach geschlitzten Pupillen.
Elenja blieb ungerührt. »Ihr werdet hier sterben und den
Thron für uns frei machen.«
Längst war sich Norina sicher, Mortvas Spross vor sich zu sehen. »Nein«, keuchte sie verzweifelt. »Das Volk Tarpols wird sich niemals ...«
»Das Volk«, lachte Aljascha sie aus. »Zu Tzulan mit dem Volk! Es gehorcht den Befehlen der Mächtigen. Mehr soll es nicht.« Sie fuhr Vahidin über den Nacken. »Du hast es dir bereits gedacht, wie ich an deinem Gesicht sehe. Ja, er ist der Sohn eines Gottes. Die Modrak folgen seinen Worten, und die Tzulani verehren ihn. Seinen Kräften ist niemand auf Ulldart gewachsen. Nicht einmal Lodrik. Und das Volk wird ihm gehorchen. Du wirst es jedoch nicht mehr erleben.«
»Arme Norina. Ihr gutgläubige Frau seid weit fort von zu Hause und umgeben von Feinden. Ihr habt bemerkt, dass die Leibwächter mich nicht schrecken. Und auch nicht die einhundert Mann draußen. Sie werden ebenso sterben, wenn es erforderlich sein sollte.« Elenja
Weitere Kostenlose Bücher