Brennende Schuld
machte auch davon ein Foto.
Costa roch die Vorliebe des Arztes für Rotwein. Hatte er sich schon um den Verstand gesoffen? »Wir haben 40 Grad im Schatten, Jaime.«
Torres richtete sich auf, er überragte Costa um einen Kopf. »Ich spreche nicht von der Todesursache. Die wissen wir erst nach der Obduktion. Habt ihr die rechte Hand gefunden?«
Der Surfer schwenkte eine Klarsichttüte mit blassem Fleisch.
»Das fand ich dort drüben in der Sandburg. Die Kinder haben wohl damit gespielt.«
Torres murmelte: »Genau wie bei der anderen Hand.«
»Was meinst du?« Costa warf wieder einen schnellen Blick zu Karin, die noch weitere Fotos gemacht hatte.
»Die Fingernägel sind abgebrochen.« Er hielt ihm die Hand hin.
»An beiden Händen. An einigen Fingern ist das Fleisch bis auf die Knochen runter. Fingerabdrücke können wir vergessen. Und hier. Holzsplitter. Zuerst dachte ich an ein Surfbrett oder ein Holzboot. Aber jetzt nehme ich an, er war eingeschlossen, und sein Peiniger hat ihn alleine gelassen.«
Elena und der Bischof hatten das Gebiet weiträumig vom Küstenschutz sperren lassen und kamen von ihrem Kontrollgang zurück.
»Wir sollten ihn fortschaffen, bevor sich der Strand mit Touristen füllt«, riet Elena. »Die Presse hat sich immerhin noch nicht blicken lassen.«
»Welches kranke Arschloch macht denn so was?« Der Bischof biss ein Stück von seinem bocadillo ab. »Sieht aus wie abgebrüht, aber noch nicht zerlegt. Hat man ihn gehäutet, Torres?«
Das war zu viel für Karin. Sie verstaute die Kamera und ging davon.
»Heute Abend?«, rief Costa ihr nach.
Ohne ein Wort ging sie weiter. Costa lief ihr hinterher und ergriff ihren Arm: »Versprich mir, die Fotos nicht zu veröffentlichen.«
Sie nickte, ohne innezuhalten.
Langsam ging Costa zurück. Sie würde denken, er wäre ihr nur nachgelaufen, weil er nicht wollte, dass sie die Fotos veröffentlichte. Tatsächlich aber hatte er eine letzte Gelegenheit gesucht, um noch einen Einklang zwischen ihnen herzustellen. Jedenfalls musste er aufpassen, dass seine angespannte Beziehung zu Karin ihn nicht von der Arbeit ablenkte. Für die Aufklärung des Falles brauchte er jetzt seine ganze Konzentration.
kapitel vier
An Tagen wie diesen wünschte sich Costa in sein altes Büro am Kreisverkehr nach San José zurück, das er für sich alleine gehabt hatte. Doch der windschiefe Bau der Guardia Civil war im letzten Jahr mitsamt den Kasernen für die cabos, die niedrigen Dienstgrade, abgerissen worden, und die Kriminalpolizei hatte ein modernes Großraumbüro bezogen. Es brauche sich vor keinem anderen in Europa zu verstecken, meinte sein Vorgesetzter Lopez Santander, der vermutlich noch nie eines in Berlin oder Paris gesehen hatte.
Nun saßen Costa und seine Teamkollegen an einem modernen Konferenztisch in einer klimatisierten Halle mit Rauchverbot, und er presste sich die Handflächen in rhythmischen Abständen auf die Ohren, wie er es oft als Kind getan hatte, um die Außenwelt zum Stottern zu bringen. Diesmal testete er, ob sich die Tonlage seines Tinnitus an den der Klimaanlage angleichen ließe.
Sie ließ sich nicht. Sein nächster Schachzug war, sich auf das hohe Zischen der Klimaanlage zu konzentrieren, »richtig hinhören«, hatte ihm der Polizeipsychologe geraten. Der anwachsende Lärm in dem Großraumbüro machte das unmöglich. Immer mehr Mobiltelefone begannen allmählich überall hinter den dünnen Stellwänden ihr Konzert. Die Spanier sind das lauteste Volk der Welt, ihnen selbst fällt das nicht auf. Die Kollegen schrien sich Grüße und Fußballwetten zu, lachten laut über Witze oder suchten unter Knattern und Rauschen Sender auf ihren Kofferradios. Costa wandte sich an Elena. »Was haben wir?«
Sie begann mit der für sie typischen präzisen Auflistung der Fakten. Die Identität des Toten hatte bisher nicht bestimmt werden können. Auch die Aufnahmen, die der Polizeifotograf gemacht hatte, weckten keine großen Hoffnungen. Ein Zeichner würde versuchen müssen, die fehlenden Teile mit Fantasie zu ergänzen.
Costas durchgeschwitztes Hemd verwandelte sich unter dem Gebläse der Klimaanlage in einen eiskalten Umschlag. Eine Muskelverspannung war ihm so gut wie sicher. Er konnte Elena kaum verstehen.
Vielleicht waren es die Unstimmigkeiten mit Karin, die ihn so unmotiviert und erschöpft machten. Oder befürchtete er, dass er diesen Fall nicht lösen könnte und er ihm für Monate an Händen und Füßen kleben würde? Es gab Fälle, denen
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