Brennender Stahl (von Hassel)
ist, wie nur irgend möglich. Heute ist definitiv der falsche Tag, um es zu verbocken!«
Leutnant Schneider schluckte trocken und salutierte zur Überraschung seiner Männer: »Zu Befehl! Wir bleiben vorerst auf diesem Kurs?«
»Vorerst! Ich gehe runter und knobele mir das mal mit dem Steuermann zusammen aus!«
Verzweifelt beobachtete der Erste den winzigen Splitter am Himmel. Dann und wann schien das Flugzeug rötlich aufzublitzen, aber es war nur die sinkende Sonne, die sich auf der Aluminiumhülle spiegelte.
»Hoffentlich geht dem Sack der Sprit aus ohne dass er es merkt!« Korvettenkapitän Stülpe trat neben seinen Ersten in die Brückennock. Die beiden Männer waren alleine. Auf der Brücke ging nur eine reduzierte Wache. Stülpe hatte so vielen Männern wie möglich befohlen, zu schlafen. Bis auf das Maschinenpersonal waren die meisten Männer wachfrei. Aber natürlich schliefen nur die wenigsten, die ganz harten Fatalisten.
Die Vorratslasten waren geöffnet worden. Jeder der Männer konnte sich bedienen. Wenn hier schon alles absaufen sollte, dann war es besser, wenigstens vorher noch das gute Dosenobst zu essen. Jeder wusste, was geschehen würde. Die Männer hatten Angst, aber noch hielten Disziplin und Tradition sie zusammen. Sie wussten, ihr Kommandant würde das Schiff nicht kampflos selbst versenken, auch wenn die schweren Ladungen tief unten im Rumpf bereits klar gemacht worden waren. Was auch immer geschehen würde, zumindest würde die Kurland den Tommies nicht in die Hände fallen. Doch überall in den Gängen und Ecken standen die Männer. Manche sprachen leise miteinander, andere starrten nur ins Leere und grübelten über ihr Leben nach, über Dinge die sie hätten tun oder nicht tun sollen, über die Entscheidungen, die sie letzten Endes hierher an diesen Ort gebracht hatten. Sie warteten, sie warteten auf das unvermeidliche Ende weil sie nichts anderes tun konnten als zu warten. Und nicht wenige beteten, sie würden nicht die Nerven verlieren, bevor alles vorbei war.
Oben auf der Brücke blickten sich die beiden Offiziere kurz an. Dann zuckte der erste Offizier mit den Schultern: »Soviel Glück werden wir wohl kaum haben, Herr Kap'tän! Was meinen Sie, Kurswechsel etwas mehr nach Norden? Zumindest macht das die Jagd interessanter.«
Stülpe zuckte mit den Achseln. »Von mir aus? Nicht, dass es einen Unterschied macht.«
Der Erste senkte die Stimme. »Sie wissen, dass wir nicht kämpfen müssen! Wir müssen niemanden aufhalten und für niemanden Zeit gewinnen, Herr Kapitän.«
»Sie meinen, das Schiff bei Insichtkommen des Feindes versenken und uns von den Tommies fischen lassen?«
Der Kaleun sah ihn ratlos an: »Ich weiß, ... aber andererseits ...«
»Wissen Sie, was alle Welt sagen wird? Sie werden sagen, dass wir versteckt mit unseren U-Booten hilflose Handelsschiffe angreifen können, aber wenn’s hart auf hart kommt, den Schwanz einziehen.« Er atmete tief durch um sich wieder zu beruhigen: »Nachdem die Spee sich auf allerhöchsten Befehl selbst versenkt hat, zerreißt sich die britische Propaganda ohnehin das Maul. Manchmal kommt es nicht nur darauf an, ob man gewinnt oder verliert, sondern auch auf das wie.«
Betreten sah der Erste ihn an, aber der Kommandant blickte hinaus auf die leere See, dorthin, von wo der Kreuzer kommen würde. Gnadenlos lief die Zeit ab. Mehr wie zu sich selbst meinte Stülpe: »Wir haben uns das nicht ausgesucht, wir müssen nur das Beste daraus machen. Vielleicht kommt der Tag an dem die Achtung unserer Feinde das Einzige ist, was uns bleibt.«
Der Erste blickte in die gleiche Richtung wie sein Kommandant. Es war einfach, sich das große Kriegsschiff vorzustellen, dass dort hinter dem Horizont heranpreschte. Noch war keine Rauchfahne zu sehen und trotzdem erschien es dem Offizier so, als könnte er es sehen. Das Heck tief im Wasser, alle Rohre auf größte Erhöhung gerichtet um auf die maximale Entfernung das Feuer eröffnen zu können. Eine Kampfmaschine, ganz anders als ihre Kurland, die mehr oder weniger einem Frachter glich. Aber auch andere Schiffe, die nie für den Krieg gebaut worden waren, hatten bereits kämpfen müssen. Erst vor einigen Monaten, im November, hatte sich der britische Hilfskreuzer Rawalpindi, ein umgerüstetes Passagierschiff, im Schneetreiben der Dänemarkstraße Schuss um Schuss brennend und artilleristisch unterlegen mit den Schlachtkreuzern Scharnhorst und Gneisenau gemessen. Doch was in der Propaganda als
Weitere Kostenlose Bücher