Brennendes Schicksal (German Edition)
könnte. Dein Name wird in aller Munde sein. Du wirst Verehrer haben, Bewunderer. Du wirst Ruhm und die Dankbarkeit der Sieneser ernten, dass du ihnen die Passionsspiele gerettet hast. Wenn du ganz großes Glück hast, so verliebt sich vielleicht ein Handwerker in dich und macht dir einen Antrag. Viel mehr wirst du nicht erwarten dürfen. Aber warum fragst du mich danach? Frag deine Schwester, was es ihr bringt, in diesem Chor zu singen.«
»Keinen einzigen Dukaten hat sie bisher damit verdient«, teilte Laura kurz und bündig mit.
»Schon möglich, denn gewisse Dinge lassen sich nicht mit Geld bezahlen. Gianna hat einfach Freude am Singen. Sie fühlt sich wohl in der Gemeinschaft des Chores, genießt den Beifall und die Bewunderung ihres Mannes.«
Er sah die Zwiespältigkeit in ihrem Gesicht, das Hinundhergerissensein. Sie hatte ein Ziel, einen Lebenstraum, den er nicht kannte, von dem er nur wusste, dass es ihn gab. Und sie war klug genug, alle Möglichkeiten zu diesem Traum in Beziehung zu setzen und abzuwägen.
Aber er brauchte sie. Brauchte sie unbedingt. Es gab keine, die besser singen konnte als sie. Mit ihr als Solistin würden die Passionsspiele nicht nur ein Erfolg werden, sie würden Furore machen, würden Auswirkungen auf die ganze Republik Siena haben.
Nein, Angelo da Matranga übertrieb nicht. Die Passionsspiele waren mehr als nur eine Aufführung zu Ostern. Die Spiele waren das Aushängeschild seiner Stadt. Kaufleute würden kommen und den Handel mit dem Vergnügen verbinden. Künstler würde es an seinen Hof ziehen, Gelehrte und Philosophen würden sich in Siena niederlassen. Diese wiederum brachten ausländische Gesandte mit. Lorenzo de’ Medici war es mithilfe der Künste gelungen, Florenz zu neuer Blüte zu verhelfen und die Herrschaft über einen bedeutenden Teil der Toskana zu erringen.
Jetzt regierte Cosimo de’ Medici, und Siena erhielt die Gelegenheit, Florenz um die Vorherrschaft auszustechen. Laura könnte ein winziger Stein im Mosaik dieser Angelegenheit sein. Ein winziger, aber kein unwichtiger.
Angelo da Matranga kannte die Frauen. Er wusste, wenn er ihr jetzt entgegenkäme, so würde sie nicht mehr aufhören, immer neue Forderungen zu stellen. Also wartete er ab.
Lauras Stolz siegte. Nein, sie würde sich nicht so einfach für ein paar Noten hergeben. Singen konnte sie überall. Den meisten war es ohnehin egal, ob sie dafür die Noten beherrschte oder nicht.
»Ihr braucht mich mehr als ich Euch«, sagte sie mit Nachdruck. »Ihr müsst mir schon etwas anderes bieten als die Notenlehre.«
Sie hatte den Kopf gereckt, die Brüste vorgeschoben und wirkte wie ein Schlachtschiff, das im Begriff war, einen Eisberg zu rammen.
»RAUS!«
Das Wort hallte wie Donner durch den leeren Saal. Der Visconte stand da, hoch aufgerichtet und mit blassem Gesicht. Er hatte einen Arm von sich gestreckt und wies damit auf die Tür.
»Raus mit dir«, wiederholte er. »Los! Worauf wartest du noch? Du sollst verschwinden! Ich brauche eine Solistin und kein Fischweib, das sich jeden einzelnen Ton bezahlen lassen will. Die Kunst um der Kunst willen, heißt es.«
Sie zögerte. Der Ausdruck ihres Gesichts zeigte abwechselnd Trotz und Empörung, Enttäuschung und einen Zug von Rechthaberei. Sie trat von einem Bein auf das andere, warf mit einer stolzen Bewegung das Haar über die Schultern, griff gleich darauf nach einer Strähne, zog sie über die Brust.
»Was ist?«, herrschte er sie an. »Worauf wartest du noch?«
Jetzt blitzte in ihren Augen die blanke Wut.
Sie warf dem Kopf in den Nacken und stolzierte mit steifen Beinen zur Tür. Dort blieb sie noch einmal stehen, sah sich nach dem Visconte um, dann ging sie und warf die Tür wie ein Straßenjunge mit lautem Knall ins Schloss. Der Windzug brachte zwei der Fackeln zum Erlöschen.
Angelo da Matranga, siebenunddreißig Jahre alt, verheiratet und erfahren im Umgang mit Frauen, Vater eines Sohnes, Bruder von vier Schwestern, stand da und fühlte sich wie ein Schuljunge.
Noch nie war es einer Frau gelungen, ihn so durcheinander zu bringen.
Himmel noch eins, er hatte sie hinausgeworfen! Warum fühlte er sich dann so, als hätte sie ihm einen Korb gegeben? Keine Stunde kannte er diese Frau, und doch spürte er in sich eine Verlassenheit, die ihn seit seiner Kindheit nicht mehr heimgesucht hatte.
Am liebsten hätte er sich in die weichen Arme seiner Amme geworfen, um sich ausgiebig trösten zu lassen.
Er hatte Laura, das prachtvollste Weib, welches
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