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Brennendes Schicksal (German Edition)

Brennendes Schicksal (German Edition)

Titel: Brennendes Schicksal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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ihm je untergekommen war, verloren, noch bevor er sie richtig kennen gelernt hatte. Oh, wenn er doch alles rückgängig machen könnte. Wenn sie doch wiederkäme! Er würde sie auf der Stelle in seinen Chor aufnehmen. Es war ihm mittlerweile vollkommen gleichgültig, ob sie singen konnte oder nicht. Hauptsache, sie war in seiner Nähe.
    Niemals würde er dessen überdrüssig sein, sie zu betrachten. Er dachte an die schlanke Linie ihres Halses, an die sanfte Röte, die sich von den Schultern bis über den Brustansatz zog. Er roch den Duft ihres Haares, sah die Kurven ihres herrlichen Leibes durch den Stoff des Kleides, den wahrhaft prachtvollen Hintern, den Mund, die Augen, die Nase. Alles in ihm drängte danach, einmal, ein einziges Mal nur die marmorne Haut zu berühren. Einmal nur wollte er ihren Leib in seinen Armen zittern spüren.
    Doch er stand mit leeren Händen da. Die Luft, eben noch voll von lockenden Düften, war plötzlich unerträglich schwer und erinnerte ihn mit ihrem Geruch an welke Herbstblumen. Gerade noch war die Hitze in wahren Glutströmen durch seinen Körper geronnen, nun fing Angelo da Matranga an zu frieren. Er sah nach vorn, dorthin, wo Laura gerade noch gestanden hatte. Und vor ihr der Chor. Plötzlich waren ihm die Passionsspiele vollkommen gleichgültig. Wenn Laura nicht sang, das wusste der Visconte mit Sicherheit, dann waren die ganzen Spiele nichts mehr wert.
    Müdigkeit legte sich bleischwer auf seine Schultern. Er fühlte sich auf einmal sehr alt und erschöpft. Kaum schaffte er es, seinen Umhang zu nehmen und die goldene Schließe mit dem geschliffenen Brillanten zu befestigen.
    Mit schleppenden Schritten durchquerte er den Saal, löschte die Fackeln, stand noch einen Augenblick verloren wie ein Kind im bröselnden Windhaus in der Dunkelheit; dann, als die Turmuhr die elfte Stunde verkündete, verließ er den Rathaussaal, schlich durch die verlassenen Gänge hinaus auf den Campo und lief durch eine trübe Nacht nach Hause.

Drittes Kapitel
    Als der Visconte Angelo da Matranga am nächsten Morgen erwachte, war seine Laune ebenso trübselig wie das Wetter. Draußen wallten dicke Nebelschwaden, und der Himmel hing so dicht über der Stadt, dass es schien, als ruhten sich die Wolken auf den Dächern der Häuser aus. Ein kalter Wind pfiff durch die Gassen, und vereinzelte dürre Schneeflocken trieben am Fenster vorbei.
    Es geschah nicht oft, dass es in Siena schneite. Doch wenn es einmal geschah, dann war es, als erstarrte die Lebensfreude der Sieneser unter dem kalten Schnee.
    Der Visconte rappelte sich von seinem Lager hoch und tappte auf nackten Füßen zum Fenster. Wie an jedem Morgen stand er auch heute da und betrachtete das Leben auf der Piazza del Campo. Bauern aus der Umgebung zogen mit Kohl und Kraut beladene Karren über das Pflaster des Campo. Mägde mit Weidenkörben am Arm strömten aus den Patrizierhäusern und schlenderten lachend und schwatzend in ihren dicken Umhängen zwischen den Marktständen umher. Die Krämerfrauen trugen dicke Schals um den Hals, hatten die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen und wischten ein ums andere Mal die schmutzig-grauen Schneekristalle von ihren Waren.
    Am Brunnen hatte sich eine kleine Schlange von Wasserträgerinnen gebildet, die laut und wild gestikulierend darüber stritten, wie das Eis im Schacht zum Schmelzen zu bringen sei. Eine kam mit einem Lappen, ließ sich von einem Olivenhändler etwas Öl darauf träufeln, besorgte sich an einem anderen Stand einen Feuerschwamm und warf schließlich den kärglich brennenden Lumpen in den Schacht. Die anderen Wasserträgerinnen beugten sich über den Rand und starrten hinunter, doch kurz darauf richteten sie sich wieder auf und begannen erneut zu streiten.
    Angelo da Matranga wandte sich ab. Das Wetter drückte ihn nieder. Außerdem hatte er eiskalte Füße. Er spürte ein Kratzen im Hals, seine Nase war verstopft, und die Ohren taten ihm weh. Er fror, doch gleichzeitig hatte er den Eindruck, dass sein Körper glühte.
    Alles in allem fühlte er sich krank und elend.
    Mühsam schlüpfte er in seinen mit Pelz gefütterten Morgenrock und stieg die Treppe hinunter in den kleinen Saal, in dem er mit seiner Familie zu speisen pflegte. Er hatte weder Hunger noch Appetit, auch wollte er am liebsten niemanden sehen. Doch die Erziehung eines Visconte verlangte nun einmal ein Mindestmaß an Disziplin und Höflichkeit.
    Er öffnete also die Tür, und die letzte Hoffnung, seine Frau wäre womöglich schon

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