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Brennendes Schicksal (German Edition)

Brennendes Schicksal (German Edition)

Titel: Brennendes Schicksal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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tausendfüßiges Tier.
    Auch vorn, auf den Plätzen der Reichen, herrschte eine wollüstige Stimmung. Wamsärmel wurden im Vorübergehen gegen pralle Mieder gedrückt, Scherzworte einander zugeflüstert, verstohlene Blicke ausgetauscht, und so manche Hand verirrte sich auf den prächtigen Hinterteilen, die unter den gebauschten Kleidern verborgen waren.
    Die Frauen kicherten heiser, fächelten sich Kühlung zu, hatten bereits erhitzte Wangen und glänzende Augen, obwohl das Spiel noch gar nicht begonnen hatte.
    Die Menge, die Unzahl von Menschen, die dicht gedrängten Leiber, das milde Licht der Nachmittagssonne, die Ausdünstungen hatten sie alle in eine rauschhafte Stimmung versetzt.
    Die Sänger, Schauspieler, Musikanten, die Souffleure, Kostümpagen und Komparsen drängten sich im großen Rathaussaal, dessen Vorhänge wie immer die Fenster verdeckten und den Blick auf den Platz versperrten.
    Gianna aber hatte einen Vorhang ein wenig zur Seite gezogen und spähte durch die Ritze.
    »Ich sehe den Bischof, die Herren des Rates: Sticci, den Baron Calabro, den Kaufmann Putignano, Visconte Valente und all die anderen, den Bürgermeister von Lucca, den Herrscher von Montepulciano und den Kardinal aus San Gimignano«, rief sie. »Oh, alle, alle sind gekommen, um unsere Aufführung zu sehen.«
    Ihre Worte gingen im Lärm der Akteure fast unter. Die Aufregung hatte die Künstler in einen Haufen schnatternder Gänse verwandelt. Während die einen ihr Lampenfieber durch schrilles Gelächter und hektische Betriebsamkeit zu verscheuchen suchten, saßen andere regungslos auf den Stühlen und starrten ins Leere. Die Frauen richteten sich gegenseitig die Kleider, die Männer hatten kantige, vor Anspannung weiße Gesichter. Die Luft knisterte vor Erregung. Der kleinste Funke würde genügen, um unter den Künstlern einen Flächenbrand auszulösen.
    Schon stieß der Bäcker mit seiner Schulter gegen den Goldschmied und schrie: »Du hast meinen Rock beschmutzt! Wie sehe ich jetzt aus?«
    Und der Goldschmied, hochrot im Gesicht, ballte die Fäuste und brüllte zurück: »Dein Rock ist bunt wie das Kleid einer Jahrmarktshure. Kein einziger Fleck darauf ist von mir.«
    »Halt! Halt!« Angelo da Matranga hatte alle Hände voll zu tun, um die Streithähne auseinander zu bringen. Er reichte jedem von ihnen einen Zinnbecher voll Grappa. »Hier! Trinkt das, das beruhigt die Nerven!«
    Doch schon wurde er von einem Musiker gerufen, an dessen Laute eine Saite zerrissen war, eine Schauspielerin wollte eine neue Haube, ein Sänger klagte über plötzliches Halsweh.
    Laura aber saß an der Wand auf einem Stuhl, hatte die Hände in den Schoß gelegt und betrachtete das aufgeregte Gegacker und Getrappel mit großen Augen. Neben ihr saß Circe da Volterra und war wohl die Einzige, die auf das hörte, was Gianna vom Festplatz zu berichten wusste.
    »Oh!«, rief sie gerade mit Entzücken in der Stimme. »Die Abordnung aus Florenz trifft eben ein. Cosimo de’ Medici sehe ich nicht. Ich habe gehört, er soll in Genua sein, um die Verheiratung seiner mittleren Tochter in die Wege zu leiten. Aber Alvaro del Gerez ist da. Ja, ich erkenne ihn genau.«
    Niemand kannte Circe da Volterra so gut, dass er bemerkt hätte, wie sie bei diesem Namen zusammenzuckte. Niemand außer Laura. Doch sie sagte kein Wort, verfolgte nur mit Blicken ihre Erzieherin, die aufstand, sich durch das Getümmel drängte und neben Gianna am Fenster Platz suchte.
    Eine geschlagene Minute oder länger stand sie wohl da, ohne sich zu rühren. Nur am schnellen Heben und Senken ihrer Schultern konnte man erkennen, dass sie erregt war. Doch niemand im Saal hatte für solche Kleinigkeiten ein Augen. Nicht einmal Laura. Der Visconte war zu ihr getreten. »Du siehst wunderschön aus in diesem Kleid«, flüsterte er leise und streichelte mit Blicken über ihr Gesicht.
    »Oh, du hast das Kleid noch nicht gesehen, das mir Circe für den Ball heute Abend herausgelegt hat.«
    »Ach ja, der Ball.«
    Die Miene des Visconte verdunkelte sich, wenn er an den Ball dachte. Beatrice hatte gefordert, dass er heute Abend den ersten Tanz mit ihr tanzte. Das war nicht üblich, denn der erste Tanz zum Osterball wurde nach der Sitte von Angelo da Matranga und der besten Aktrice der Aufführung eröffnet. Nun, bereits jetzt stand fest, dass dies Laura sein würde. Er wischte den Gedanken schnell weg. Später würde er darüber nachdenken, was zu tun wäre, um keine der Frauen zu kränken. Jetzt musste er sich um

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