Brennendes Schicksal (German Edition)
Augenblick so inständig, dass er nicht böse gewesen wäre, hätte der Sensenmann geklopft und ihm dieses Weib genommen. Er schloss die Augen, denn er konnte ihren Anblick keine Sekunde länger ertragen.
»Hier, Visconte, trinkt das!«, sagte der Arzt und reichte ihm einen Becher, in dem er das Pülverchen in Wasser aufgelöst hatte.
Angelo trank und hätte sich am liebsten geschüttelt. Bitter war dieses Zeug, gallebitter. Und gnade Gott dem Arzt, wenn es nicht half.
Laura, die mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen den Sturz ihres Liebsten verfolgt hatte, lief noch am späten Abend zu seinem Zimmer, um zu sehen, wie es ihm ging.
Beatrice aber stand wie eine Schildwache davor. Sie schien nur auf Laura gewartet zu haben.
»Was wollt Ihr hier? In diesem Stock befinden sich die privaten Gemächer meines Mannes. Fremde haben hier nichts zu suchen.«
»Ich weiß das, und ich bitte Sie höflichst, mein Eindringen hier zu entschuldigen«, erwiderte Laura mit fester Stimme und entschlossen, sich von Beatrice nicht daran hindern zu lassen, nach ihrem Liebsten zu sehen. »Trotzdem bitte ich Euch, mir zu sagen, wie es dem Visconte geht.«
»Pah!«, schnaubte Beatrice. »Verschwindet sofort von hier, ehe ich Euch von den Wachen holen lasse!«
Laura ließ nicht locker. »Ein Wort nur, Viscontessa, und Ihr seid mich los. Wie geht es ihm?«
»Er hat bekommen, was er verdient hat«, zischte Beatrice und griff nach der Glocke, um die Wachen herbeizuläuten.
Laura verstand, dass sie hier nichts ausrichten konnte, doch als sie die kalte Wut in Beatrices Augen sah, wusste sie auch, dass Angelo nichts Ernsthaftes zugestoßen war.
Einen Augenblick überlegte sie, ob sie zum Fest zurückkehren sollte, doch sie hörte im Hinterkopf die Stimme ihrer Lehrerin Circe da Volterra, die zu ihr sprach: »Merke dir, eine junge Frau verlässt ein Fest niemals nach ihrem Gönner. So etwas gehört sich auf gar keinen Fall. Muss dein Gönner, aus welchen Gründen auch immer, das Fest verlassen, so wirst auch du dich nach Hause geleiten lassen.«
Laura nickte, als stünde Circe vor ihr. Dann verließ sie das private Stockwerk, sprang leichtfüßig nach unten in die prächtige Halle, ließ sich ihren Umhang reichen und von einem Knecht nach Hause geleiten ...
Knapp zehn Stunden später saß sie mit Circe beim Frühstück.
»Nun, berichte mir, wie ist der Ball gewesen?«
»Oh!«, schwärmte Laura mit leuchtenden Augen. »Es war wunderschön. All die Pracht, das Licht, das köstliche Essen, die Reigen und die anderen Tänze! Ich habe mich auf das Beste amüsiert.«
»Du hast mich also doch nicht vermisst«, stellte die Lehrerin fest. Sogleich packte Laura das schlechte Gewissen.
»Verzeiht mir. Ich hätte früher zurückkehren sollen, um Euch ein wenig zu unterhalten, nicht wahr?«
»Aber nein, ganz und gar nicht. Ich habe mich gut erholt. Es war dein erster Ball, und du hast recht daran getan, dich zu amüsieren. Doch berichte weiter.«
In aller Ausführlichkeit schilderte Laura nun die Garderoben der Damen, nannte die Gäste und fügte zum Schluss hinzu: »Ihr habt mir gefehlt, Circe. Ohne Euch war das Fest nur halb so schön. Aber ich war nicht die Einzige, die Euch vermisst hat. Ein Baron aus Florenz, mein Tischherr Alvaro del Gerez, hat sich sehr interessiert nach Euch erkundigt.«
»Was hat er gefragt?« Die Stimme Circes da Volterra klang plötzlich schrill vor Anspannung. Auch ihr Körper war gestreckt wie eine gespannte Saite. Sie war sogar ein wenig auf ihrem Sitz nach vorn geschnellt.
»Was habt Ihr denn? Er hat mir Komplimente gemacht, und als ich sagte, dass mein Gesang Euer Werk gewesen sei, hat er mir einen Ring gegeben.«
Sie nestelte an ihrem Kleid herum, dann zog sie den Ring, den der Baron ihr für Circe gegeben hatte, hervor und reichte ihn ihr.
Circe nahm ihn, betrachtete ihn, dann warf sie ihn auf den Tisch, als wäre er aus glühendem Eisen. Ihr Gesicht war aschfahl, Schweißperlen bedeckten ihre Stirn, als hätte ein Fieber sie befallen. Ihr Atem ging hastig und stoßweise. Sie hatte beide Hände auf ihre Brust gepresst und wirkte so gequält, dass Laura hastig aufsprang und nach einem Becher Wasser lief.
Gierig trank die Lehrerin das kühle Wasser, dann sank sie gegen die Lehne des gepolsterten Stuhls und schöpfte tief Luft. Nur langsam beruhigte sie sich.
»Was hast du ihm über mich erzählt?«, fragte sie.
»Was soll ich schon gesagt haben? Ich weiß nicht viel über Euch. Nur, dass Ihr früher
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