Brennendes Schicksal (German Edition)
Können. Alles war wie immer. Nichts hatte sich verändert. Nur das Leben Angelo da Matrangas war aus den Fugen geraten.
Noch gestern war er der stolze Vater eines siebzehnjährigen Sohnes und eines Säuglings, führte eine standesgemäße Ehe und hatte eine entzückende Geliebte, die nur im Augenblick etwas überfordert war.
Und heute? Heute hatte er seinen Sohn verloren. Und die Frau, mit der er seit achtzehn Jahren verheiratet war, hatte ihn auf dem Gewissen. Innerhalb weniger Stunden hatte das Schicksal sein Leben auf den Kopf gestellt.
Noch einmal seufzte der Visconte, doch dann beschloss er zu tun, was zu tun war, um wenigstens die Trümmer seines Lebens zu bergen.
Er richtete sich kerzengerade auf und verließ mit steifen Schritten das Arbeitszimmer.
Visconte Angelo da Matranga war ein Mann von ausgesuchten Manieren. Schon als Kind war ihm eingetrichtert worden, was von einem Mitglied seines Standes erwartet wurde. Haltung, Stolz und Würde. Das waren die wichtigsten Tugenden eines Visconte. Und Angelo da Matranga konnte sich nicht erinnern, dass er jemals vergessen hätte, dies auf das Strengste zu beachten.
Es war das erste und sollte das einzige Mal in seinem Leben sein, dass er das Zimmer einer Frau betrat, ohne vorher anzuklopfen.
Beatrice fuhr hoch, als ihr Mann plötzlich hinter ihr stand. Vor dem Bild der Madonna war sie auf die Knie gesunken und hatte inbrünstig gebetet.
»Steh auf, setz dich auf den Stuhl und höre mir zu!«, befahl Angelo da Matranga, und seine Stimme verriet, dass er keinen Widerspruch dulden würde.
Beatrice tat sofort, was er verlangte, und setzte sich. Ihre Hände flatterten in ihrem Schoß herum wie Vögel mit gebrochenen Schwingen. Die Augen schwammen in Tränen, der Mund, ohnehin schmallippig, war nur noch ein Strich. Tiefe Falten zogen sich von der Nase bis hinunter zum Kinn, die Haut war grau und mit roten Flecken bedeckt. Alles in allem wirkte Beatrice wie eine Frau, die am Rande des Wahnsinns stand.
Angelo betrachtete sie, und für einen Augenblick überkam ihn Mitleid mit Beatrice. Doch der Augenblick verstrich, ohne dass sich das Gefühl in seinem Innern hätte festsetzen können.
»Orazio ist tot«, sagte er, und die Worte hallten durch das karge Zimmer wie ein Donnerschlag, unter dem Beatrice zusammenzuckte.
»Über die Umstände seines Todes weiß ich jetzt bereits mehr, als mein Verstand zu fassen in der Lage ist. Sage mir nur noch eines, Beatrice: Warst du es, die die Milch mit Gift versetzt hat? Warst du es? Du musst es gewesen sein. Kein anderer hier im Haus kommt dafür in Frage. Warst du es, Beatrice?«
Sie sah zu ihm hoch, und in ihren Augen las er die Wahrheit. Ihr Blick war voller Entsetzen und Verzweiflung. Sie schwieg, doch ihre Miene verriet mehr als tausend Worte.
»Ich gehe davon aus, dass die Milch für Laura bestimmt war. Du wolltest sie und den kleinen Angelino töten, nicht wahr, Beatrice?«
Sie hob den Kopf und wandte sich zum Fenster, doch diesmal konnte der Visconte nicht auf eine Antwort verzichten. Grob griff er nach ihrem Kinn und zwang sie, ihm direkt in die Augen zu schauen.
»Du wolltest Laura töten? Sprich, Beatrice. Die Wahrheit ist das Einzige, das dich noch retten kann.«
»Ja«, flüsterte sie, und ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch. »Ja, ich wollte Laura, die verfluchte Dirne, und ihren Bastard Angelino, der das Erbe meines Sohnes bedroht, der ihm die alleinige Liebe seines Vaters genommen hat, töten.«
»Stattdessen bist du zur Mörderin deines eigenen Sohnes geworden.«
Er ließ sie los und lief einige Schritte im Zimmer auf und ab. Dann sagte er: »Du wirst einsehen, dass ich keine Stunde länger mit dir unter einem Dach leben kann. Noch heute wirst du von hier verschwinden und den Rest deiner Tage in einem Kloster verbringen. Du wirst genügend Zeit haben, um deine Schuld dem Herrn zu bekennen, aber ich glaube nicht, dass er dir jemals vergeben wird. Ich jedenfalls kann es nicht. Vorher aber wirst du in Gegenwart des Bischofs die Beichte ablegen und eine Urkunde unterzeichnen, in der du dich mit der Aufhebung der Ehe einverstanden erklärst. Ab heute, Beatrice, bist du nicht mehr mein Weib.«
Beatrice saß zusammengesunken im Lehnstuhl. Ihre Schultern bebten. Mit dünner, blasser Stimme sagte sie: »Es ist dein Recht, mich zu verstoßen, Angelo. Ich habe deinen Sohn, den Erstgeborenen, getötet. Diese Schuld ist durch nichts wieder gut zu machen. Ich habe meine Unschuld und das Recht auf ein Leben an
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