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Brennendes Schicksal (German Edition)

Brennendes Schicksal (German Edition)

Titel: Brennendes Schicksal (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Hamilton
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deuten ließ. Hörte er von einer alten Frau, die bei Vollmond mit den Verstorbenen sprechen konnte, so suchte Angelo da Matranga sie auf und bat darum, mit seinen Vorfahren in Verbindung treten zu dürfen.
    Die Welt des Übersinnlichen faszinierte ihn ebenso wie die Welt der Wissenschaften. Und hatte nicht schon so mancher Gelehrter neue Erkenntnisse dadurch erhalten, dass er an mehr glaubte als an Gott und die Menschen? Dies war die These, die Angelo da Matranga vertrat. Und jeder wusste davon.
    Laura verabschiedete sich von Mimmo und beschloss, zu Hause auf Angelo zu warten. Vorsichtshalber ging sie jedoch noch einmal zum Palazzo, um Sidonia zu bitten, einen Boten zu schicken, sobald der Visconte dort eintraf.
    Sie drängelte sich durch die Gassen, aber ihre Gedanken weilten unablässig bei Angelo.
    »Madonna, hilf«, betete sie leise vor sich hin. »Madonna, steh ihm bei und führe ihn zu mir.«
    Und während sie zur Madonna sprach, tauchte zum ersten Mal, seit sie von Orazios Tod erfahren hatte, die Frage auf, wer ihn wohl vergiftet haben könnte. Nein, an das Märchen mit der Schneckenmilch glaubte sie keinen Augenblick. Auch an Beatrice, die ihr beinahe schon eine Freundin geworden war, dachte sie jetzt zum ersten Mal. Eine Welle von Mitleid überflutete sie. Den Sohn, das einzige Kind zu verlieren, schien ihr das schlimmste Schicksal zu sein, das eine Mutter erleiden konnte. Kein Wunder, dass sie am Rand des Wahnsinns stand und sich von der Welt zurückgezogen hatte.
    Weil die Abenddämmerung bereits ihr schweres graues Tuch über die Dächer der Stadt Siena gebreitet hatte, war Laura völlig entgangen, dass dicke, schwarze Wolken aufgezogen waren. Jetzt hörte sie in der Ferne ein drohendes Grollen, der erste Blitz zuckte über den Himmel.
    Die Menschen in den Gassen bekreuzigten sich, denn die meisten wussten nichts von der Wissenschaft des Wetters und meinten, Gott zürne den Bewohnern der Stadt. Wieder leuchtete ein Blitz auf, und zwar genau in dem Augenblick, als Laura endlich den Blick hob. Gelb und scharfkantig zerriss er den Himmel, sodass Laura erschauerte. Wind kam auf, wirbelte durch die Gassen, spielte mit den Röcken der Frauen und riss den Männern die Barette vom Kopf. Schnell leerten sich die Straßen. Besorgte Mütter riefen nach ihren Kindern, die Händler und Krämer packten ihre Sachen zusammen und schlossen die hölzernen Läden. In einigen Kirchen läuteten die Glocken. Laura war noch zwei Gassen von ihrem Haus entfernt, als es plötzlich anfing zu regnen. Der Himmel schien alle Schleusen auf einmal geöffnet zu haben. Das Wasser fiel zur Erde, verwandelte die Gassen aus gestampftem Lehm in einen Morast. Kleine Bäche bildeten sich an den Seiten und spülten den Unrat des Tages vor sich her. Der Wind heulte jetzt laut und rüttelte an den Fensterläden.
    Innerhalb von wenigen Augenblicken war Laura bis auf die Knochen durchnässt. Der Regen lief ihr in kleinen Bächen aus den klatschnassen Haaren über die Wangen. Laura musste sich mit aller Kraft gegen den Wind stemmen. Donner rollten mit einem Höllenlärm durch die Straßen, Blitze tauchten die Stadt für Augenblicke in gespenstisches Licht.
    Sie hatte ihr Haus beinahe erreicht, als sich ihr plötzlich jemand in den Weg stellte.
    »Habt Erbarmen, gute Frau. Gebt einem armen Bettler ein Obdach. Nur, bis der Regen aufhört. Seid gnädig und barmherzig, der Herr wird’s Euch lohnen.«
    Laura blinzelte durch den Regen, doch alles, was sie erkennen konnte, war ein Mann mit einem verfilzten Bart, der die Kapuze seines schäbigen Umhangs bis ins Gesicht gezogen hatte.
    »Kommt mit«, sagte sie. »Ich wohne nicht weit von hier. Ihr könnt etwas essen und trinken und derweil Eure Kleider trocknen. Es ist wirklich ein Wetter, bei dem man keinen Hund auf die Straße jagt.«
    »Habt Dank, gute Frau. Ich werde für Euch beten.«
    Der Wind riss dem Bettler die Worte vom Mund, sodass Laura ihm von den Lippen ablesen musste, was er sagte. Sie nickte, machte ihm ein Zeichen, ihr zu folgen, und eilte die letzten Meter bis zu ihrem Haus.
    Dort wies sie dem Bettler den Weg zur Küche und trug der Magd auf, für ihn zu sorgen. Dann machte sie sich auf den Weg zu ihren Gemächern, um sich umzuziehen.
    Sie hängte die nassen Sachen ordentlich auf, kleidete sich neu an und ging zur Kammer der Amme, um nach Angelino zu sehen. Laura nahm nicht den direkten Weg, denn sie wollte um keinen Preis ihrer Lehrerin Circe da Volterra in die Hände fallen, die Lauras

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