Brennendes Schicksal (German Edition)
Abwesenheit und Angelos Verzweiflung ausgenutzt hatte, um sich zu vergnügen. Später, dachte sie. Später werde ich mit Circe da Volterra reden. Dann wird auch zu überlegen sein, ob ich überhaupt noch eine Lehrerin brauche.
Laura nahm die Treppe der Dienstboten, die von den oberen beiden Stockwerken direkt in die Küche führte.
Als sie beinahe unten war, hörte sie jedoch die Stimme von Circe, die sich offensichtlich mit dem Bettler unterhielt. Die beiden flüsterten, und eben dieses Flüstern war es, das Lauras Aufmerksamkeit erregte. Um diese Uhrzeit schlief noch niemand im Hause, der durch ein Gespräch hätte gestört werden können. Also musste die Heimlichkeit andere Ursachen haben.
Laura hielt inne und lauschte. Viel verstand sie nicht, nur hin und wieder einen Satzfetzen.
»...wenn du deine Kinder jemals wieder sehen willst, dann wirst du tun, was ich dir sage«, hörte sie die Stimme des Bettlers, die ihr irgendwie bekannt vorkam.
»Wie geht es ihnen?«, fragte Circe.
»...im Augenblick noch gut... aber ... auf unsere Seite ziehen, sonst...«
»...davon war nie die Rede ...«, erklang Circes Stimme, in der ein aufgeregter, ja, beinahe hysterischer Unterton mitschwang, »...hat mir vertraut... war eine Freundin. Verrat ist das.«
»...sie muss weg, und du wirst ihren Platz einnehmen ... die andere hat alles verdorben ... denk an deine Kinder ... ohne dich aufwachsen.« Das war wieder die Stimme des Bettlers.
»...tue alles, was in meinen Kräften steht ... Doch lass die Kinder ...«, erwiderte Circe.
»...hast nicht mehr viel Zeit. Wenn dir das Leben deiner Kinder lieb ist, so handle rasch ... tot ... mir am liebsten. Wenn doch die andere nicht alles verdorben hätte! ... hoffe, du bist nicht so dumm wie sie ... sich selbst bestraft ... Unschuldige das Leben kosten.«
»... schwierig werden. Sie ist nicht dumm ... Gut möglich, dass sie bereits Verdacht geschöpft hat. ...wird in Zukunft vorsichtiger sein ... ihr Vertrauen wieder gewinnen ... Gift nicht möglich.«
»... musst du eben klüger seinl ... geht nicht nur um dich, es geht um die Herrschaft in der Toskana ... Menschenleben ... bist nicht wichtig ... der Bürgermeister«, sagte der Bettler. Jetzt erklang ein hässliches Lachen, und die Stimme des Bettlers wurde etwas lauter: »... schon einmal dumm ... zweite Gelegenheit bekommst du jetzt ... ist die letzte. Merk dir das.«
Circes Stimme erwiderte leise, aber deutlich: »Ich werde alles tun, was unbedingt notwendig ist, um meine Kinder wieder zu sehen. Wenn das geschehen ist, dann will ich Euch niemals wieder begegnen.«
»Glaubst du, mir macht es Spaß, dich zu sehen? Dein Anblick war mir zum Schluss nichts als ein Gräuel, mein Täubchen. Aber jetzt brauche ich dich – und du brauchst mich.«
Dann hörte Laura das Geräusch rückender Stühle, das Rascheln von Gewändern, Stiefelschritte auf dem gekachelten Küchenboden. Gleich darauf klappte die Haustür. Sie blieb noch einen Augenblick stehen, doch als Circe da Volterras Schritte auf der großen Treppe erklangen, wusste sie, dass nun nichts mehr zu erfahren war.
Ein seltsames Gespräch, dachte Laura und schüttelte den Kopf. Wie kam Circe dazu, sich auf diese Art mit einem Bettler zu unterhalten? Oder war der Mann gar kein Bettler? Wusste Circe gar, wer er war? Ein Schatten aus der Vergangenheit? Plötzlich fielen ihr die Briefe ein, die der Bote gebracht hatte. Auch Circe da Volterras Veränderung kam ihr jetzt wieder in Erinnerung. Irgendetwas ging in diesem Hause vor sich. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. Und was das war, das würde Laura schon herausfinden.
Neunzehntes Kapitel
Laura lag noch lange wach. Sie hörte auf jedes Geräusch, dass durch die Fenster zu ihr in die Kammer drang. Fünf Mal war sie schon aufgestanden, weil sie geglaubt hatte, Angelos Schritte auf dem Kopfsteinpflaster zu hören. Doch jedes Mal war es umsonst gewesen.
Nun wälzte sie sich seit geraumer Zeit von einer Seite auf die andere, aber ihre Gedanken wollten einfach nicht zur Ruhe kommen.
Es war so viel passiert. Laura ahnte, dass es zwischen all den Geschehnissen einen Zusammenhang geben musste, doch welcher das sein könnte, entzog sich ihrer Vorstellung.
Orazio war vergiftet worden. Aber von wem? Der Junge hatte doch gewiss keine Feinde gehabt. Also musste der Anschlag jemand anderem gegolten haben. Dass Beatrice die Mandelmilch vergiftet hatte, wusste Laura noch nicht.
Angelo und Circe ... Ja, sie konnte verstehen, dass
Weitere Kostenlose Bücher