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Brennnesselsommer (German Edition)

Brennnesselsommer (German Edition)

Titel: Brennnesselsommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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Fränzi einfach unhöflich. Sie schaut einem direkt in die Augen und benutzt Worte, die einen treffen, anstatt ihre Gedanken ein bisschen zu verpacken, damit man sich nicht ärgert. Sie haben schon einmal darüber gestritten, als Fränzi über Anjas Schuhe gesagt hat, das seien Tanzschühchen, mit denen man in der Scheune nichts anfangen könnte. Anja hatte sich die Schuhe gerade mit Mama neu gekauft und fühlte sich darin hübsch und älter als neun, und das gefiel ihr. Nun starrte sie auf die Schuhe, natürlich hatte Fränzi Recht, damit konnte sie in die Stadt gehen oder in die Schule, aber nicht auf den Gnadenhof.
    »Man muss ja nicht immer solche Treter anhaben wie du«, murrte sie, und Fränzi lachte, aber das reichte Anja nicht.
    »Warum machst du mir die Schuhe schlecht? Ich finde sie so schön. Die sind doch ganz neu. Dafür hast du Haare wie ein alter Teppich.«
    Da ließ Fränzi die Gießkanne sinken, mit der sie gerade die frisch hochgebundenen Tomaten hinter der Scheune wässern wollte, und hockte sich neben Anja, die mit Tränen in den Augen Splitter aus der Scheunenwand riss.
    Sie legte ihr einen Arm um die Schulter. Das hatte sie noch nie gemacht.
    »Das war doch nicht böse gemeint«, sagte sie leise. »Du musst doch nicht immer mit Gummistiefeln durch den Dreck stapfen. Vielleicht willst du mit den Tanzschühchen tanzen gehen oder einkaufen oder spielen! Du kannst doch aussehen, wie du willst, Anja!«
    »Weiß ich«, murmelte Anja. »Warum bist du manchmal so unfreundlich?«
    Fränzi dachte nach.
    »Bin ich unfreundlich? Ich glaube, ich sage alles so, wie ich es denke. Und manchmal denke ich vielleicht unfreundliche Sachen.«
    »Kannst du die dann nicht einfach für dich behalten? Das machen die anderen Erwachsenen doch auch. Und sogar die Kinder.«
     

     
    »Aber weißt du, was«, sagte Fränzi und beugte sich vor, um ihr ins Gesicht zu schauen, »das stört mich. Ich habe keine Lust, immer erst mal die Verpackung abzumachen, verstehst du? Und manchmal vergessen die Leute vor lauter Verpacken, was eigentlich drin ist. Bei mir kriegst du alles ohne Schleife.«
    Anja seufzte und nahm Fränzi die Gießkanne aus der Hand, um nicht mehr weiterreden zu müssen. Die neuen Schuhe stellte sie zu Hause hinten in den Kleiderschrank.
    Und jetzt findet Fränzi also, Anja sollte weiter Flöten lernen.
    »Ich habe nicht gesagt, dass du dumm bist«, meint Fränzi, »aber wenn du Flötespielen lernst, kannst du mit anderen Musik machen!«
    »Ich komme lieber hierher und helfe dir«, sagt Anja. Fränzi soll ihr nicht sagen, was sie tun soll, das machen sowieso schon genug Leute. Sie soll sich lieber freuen, dass sie nicht allein ist und Anja und Flitzi ihr so viel helfen.
    Da fasst Fränzi Anja sehr fest an den Handgelenken und sagt, als hätte sie ihre Gedanken gelesen: »Du musst nicht hierherkommen. Du bist immer willkommen, aber nur, wenn du es selber willst.«
    Das ist Anja nun wirklich zu kompliziert. Sie dreht sich aus Fränzis Griff und schaut nach dem Papagei, der behutsam an einer Erdnuss knabbert und sie mit schräg gelegtem Kopf mustert.

 
    An einem Sonntagmorgen, als die Kinder spät aufwachen, ist die halbe Straße vollgeparkt mit lauter ungewöhnlichen Fahrzeugen. Die Eltern mustern belustigt die bunt angesprühten Laster, wild gemusterten Wohnwagen mit Fahnen und Wimpeln und umgebauten Geländewagen, die alle schon früh durch Lauterbach gerumpelt sind.
    »Die Blumenkinder treffen sich zum Sonntagsfrühstück auf dem Lande«, spöttelt Papa und schaut einem Mann mit langen Locken und einer grellorangen Latzhose hinterher, der barfuß um seinen Laster herumgeht, um eine Gitarre herauszuholen.
    »Du bist ja nur neidisch auf seine tollen Locken«, kichert Mama, und jetzt müssen Anja und Flitzi auch lachen. Papa wirft ihnen einen düsteren Blick zu und will ihnen verbieten, zu Fränzi hinüberzulaufen: »Wenigstens am Sonntag kann diese Familie auch mal gemeinsam frühstücken!«
    »Wir holen nur ein paar Eier«, sagt Anja, obwohl Fränzis Hühner immer noch keine Eier legen, und sie ziehen schnell die Tür hinter sich zu, bevor Papa mit einer gemeinsamen Unternehmung drohen kann, einer Wanderung womöglich.
    Drüben bei Fränzi sieht es aus wie bei einem Dorffest. Überall sitzen Leute auf dem Boden, manche haben kleine Kinder dabei, irgendwo schreit ein Baby. Der Mann mit den vielen Locken, der Martin heißt, stimmt seine Gitarre, und auf jeder freien Fläche liegt ein Hund. Fränzi steht in der

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