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Brennnesselsommer (German Edition)

Brennnesselsommer (German Edition)

Titel: Brennnesselsommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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sind, drängen sich an Anja. Krümel hat sich unter eines der geparkten Autos verzogen. Er weiß, dass er zu klein für eine Demo ist. Jemand könnte ihn übersehen und auf ihn treten. Jo spielt, so laut er kann, und Anja vergisst ihr schlechtes Gewissen wegen Flitzi. Da nimmt Fränzi auf einmal das Megafon und es wird ganz still auf dem Platz.
    »Ich bin Fränzi vom Gnadenhof«, sagt sie, und man hört ihre Stimme bis in den letzten Winkel.
    »Ihr wisst sicher, was der Gnadenhof ist«, sagt Fränzi. Ihre Freunde fangen an zu klatschen, und auch ein paar andere Leute rufen und nicken zustimmend.
    »Ich versuche Tieren zu helfen und ihnen ein neues Zuhause zu geben. Der Gnadenhof ist kein Tierheim – er ist einfach ein Zuhause für mich und meine Tiere.« Da schreit auf einmal jemand dazwischen: »Lüge, alles Lüge!« Anja schaut sich verwirrt um. Wieso sollte Fränzi lügen? Jeder kann sie ja besuchen kommen und selbst sehen, was auf dem Gnadenhof los ist. Der Mann, der dazwischengebrüllt hat, hat ein rotes Gesicht und schüttelt heftig den Kopf.
    »Die Behörden wollen den Gnadenhof schließen«, fährt Fränzi fort, »sie wollen, dass ich alle Tiere weggebe. Wahrscheinlich wollen sie am liebsten den ganzen Hof dem Erdboden gleichmachen.«
    Anja fasst an Kenos warme Ohren und schaut sich auf dem Platz um. Die Leute hören aufmerksam zu. Manche sehen empört aus oder erstaunt, als könnten sie es nicht glauben, was Fränzi erzählt. Tim lehnt ganz in Anjas Nähe an einem der bunten Autos. Sie traut sich nicht, zu ihm herüberzuschauen.
    »Ich will hierbleiben«, ruft Fränzi, »und ich glaube, meinen Tieren geht es auch gut. Helft mir, dass wir in Lauterbach bleiben können!« Sie schwenkt eine große Liste, auf der alle unterschreiben sollen, die für den Gnadenhof sind. Die Leute fangen an zu murmeln. Manche gehen gleich nach vorne zu Fränzi und unterschreiben, andere fangen an zu diskutieren. Anjas Englischlehrerin streitet sich mit dem Friseur, der Flitzi immer den Pony zu kurz schneidet. Der Bäcker zeigt auf Fränzi und fuchtelt mit den Händen. Die Frau vom Supermarkt hat sich bei der Kindergartenleiterin untergehakt und klatscht zu Jos Musik, während ein Haufen kleiner Kinder um Fränzi herumrennt und Fangen spielt.
    Als sich Anja nach dem Mann mit dem roten Gesicht umschaut, hört sie auf einmal in der Ferne Polizeisirenen, die sich schnell nähern. Jo spielt immer weiter, auch als drei Polizeiwagen mitten auf dem Dorfplatz vorfahren. Die Leute weichen etwas zurück und schauen zu, wie ein paar Polizisten herausspringen, als wäre etwas Schlimmes passiert, und auf Fränzi zueilen. Jo lässt sich nicht beirren und hört nicht auf zu spielen.
    »Haben Sie eine Genehmigung?«, fragt der eine Polizist. Fränzi schüttelt den Kopf.
    »Dann räumen Sie bitte sofort den Platz«, sagt der Polizist nicht unfreundlich.
    Anja weicht zurück, sie hat noch nie einen Polizisten aus solcher Nähe gesehen und hat Angst, etwas könnte passieren, sie weiß gar nicht, was, niemand wird schießen, aber eine Ungeduld liegt über dem Platz. Anja nimmt Keno mit hinüber zu Tim, es fühlt sich sicherer an, neben ihm zu stehen, und er scheint sich keine Sorgen zu machen. Keno legt sich gleich neben Tim.
    »Das machen die immer so«, sagt er leise zu Anja, und es klingt, als hätte er schon viel Erfahrung.
    »Ich habe so was noch nie gemacht«, gesteht Anja, als ob sie ein schlechtes Gewissen haben müsste, dabei steht sie doch nur auf dem Dorfplatz und hilft Fränzi, den Gnadenhof zu retten. Auf einmal gibt es eine große Unruhe. Anja sieht nicht genau, was passiert, aber plötzlich hat Fränzi kein Megafon mehr, Jo hat aufgehört zu spielen, und an den bunten Autos ist ein Gewusel und Gebell. Die Leute gehen schnell vom Platz.
    Auf einmal wird es sehr ruhig. Ein Polizist kommt auf die Autos zu, einen Notizblock in der Hand: »Ich würde gern Ihre Namen notieren!« Anja und Tim schauen sich an, dann verschwinden sie schnell im Bus und setzen sich auf die hintere Bank. Anja fühlt sich fast wie ein Dieb, als ob sie verfolgt würden. Sie sitzt dicht neben Tim, beide ducken sich etwas und sind still. Dann späht Tim hinaus: »Jetzt ist er wieder weg, Entwarnung.«
    Anja weiß gar nicht, was sie denken soll. Die Polizei ist doch eigentlich dazu da, um sie zu beschützen, aber jetzt fühlt sie sich fast verfolgt, obwohl sie doch nichts Schlimmes gemacht hat. Darf Fränzi etwa nicht auf dem Dorfplatz ihre Meinung sagen? Oder waren

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