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Brennnesselsommer (German Edition)

Brennnesselsommer (German Edition)

Titel: Brennnesselsommer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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bei dir.«
    Als sie das alles gesagt hat, traut sie sich kaum, Fränzi ins Gesicht zu schauen. Die Worte sind so schnell gekommen, dass sie keine Zeit hatte, sie rechtzeitig zu verschlucken. Sie schiebt mit den Füßen einen Stein hin und her. Fränzi hat die Säge ins Gras und den Kopf auf die Knie gelegt. Eine ganze Weile sitzt sie so und überlegt.
    »Warum sagst du nichts?«
    »Weil ich erst mal nachdenken muss, bevor ich losquatsche«, sagt Fränzi leise.
    »Und was denkst du?«
    »Es wäre schön, wenn du bei mir auf dem Gnadenhof wohnen würdest«, sagt Fränzi langsam. Anja lässt sie nicht aus den Augen. Wenn Fränzi so langsam spricht, möchte man sie schütteln oder stoßen oder ihre Lippen einölen, so wie die Motorsäge, damit es ein bisschen schneller vorangeht. Aber das würde nichts helfen, denn ihre Gedanken sind ja deswegen auch nicht schneller. Wenn Fränzi jetzt Ja sagt, wird Anja hinübergehen, ihren Schlafsack holen und ein neues Leben anfangen. Ihren Eltern wird sie alles so erklären, dass niemand beleidigt ist. Sie müssen einfach einsehen, dass ein Leben mit Tieren für ein Kind besser ist, ein Leben ohne Fußmatte am Eingang und Zierbeete, Wäschefalten, Servietten neben den Tellern und Haareföhnen nach jedem Regentropfen. Außerdem wird Flitzi ja drüben bleiben und ihnen Gesellschaft leisten. Dann darf Mama eigentlich auch Anjas Zimmer haben, da könnte sie endlich einen guten Schreibtischstuhl mit Rollen unterbringen, der sonst nirgendwo hinpasst, und einen neuen Schreibtisch natürlich auch.
    Wenn Fränzi allerdings Nein sagt, und nach dem ersten Satz ist beides möglich, dann weiß Anja nicht mehr weiter. Dann passt sie nirgendwo mehr hin. Vielleicht zieht sie dann zu Tante Nell in die Stadt, falls die sie nimmt, oder sie geht ins Internat.
    »Ich bin manchmal hier auch allein, weißt du«, sagt Fränzi. Das ist immer noch kein Ja und auch kein Nein. Gespannt krallt Anja die Zehen in die Schuhe, wie immer, wenn sie es nicht abwarten kann, an Weihnachten oder wenn sie eine Klassenarbeit zurückbekommen oder kurz bevor sie anfängt, ihre Geburtstagsgeschenke auszupacken.
    Da sagt Fränzi etwas, womit Anja nicht gerechnet hat. Es ist weder ein Ja noch ein Nein.
    »Komm doch heute Nacht mal rüber mit deinen Schlafsachen. Dann kannst du ausprobieren, wie es ist auf dem Gnadenhof. Und danach schaust du dann, wie es weitergeht.«
    Zuerst ist Anja etwas enttäuscht, dass Fränzi sie nicht sofort zu sich nimmt. Schließlich hat sie selbst zugegeben, dass sie Gesellschaft braucht. Sie hat zwar Benito, Keno und Krümel, aber ein Mensch wäre sicher auch gut. Jeden Morgen muss sie ohne Gesellschaft am Küchentisch sitzen und sich allein Marmeladenbrote schmieren. Das stellt Anja sich ganz schön einsam vor. Aber vermutlich hat sich Fränzi daran gewöhnt, und es ist sicher besser, erst mal langsam mit etwas mehr Gesellschaft anzufangen.
    Anja geht nach drüben und holt ihren Schlafsack, den Schlafanzug und die Zahnbürste. Ihre Kuscheltiere lässt sie in ihrem Bett, auf dem Gnadenhof gibt es ja genug echte Tiere. Als sie gerade im Flur ihre Hausschuhe in die Tasche stopft, kommt Mama aus dem Garten.
    »Was wird das, wenn es fertig ist?«
    »Ich kann bei Fränzi übernachten, sie ist einsam«, sagt Anja.
    »Ach so«, sagt Mama, »und wir?«
    »Ihr habt ja euch und Flitzi«, meint Anja und ist froh, dass Mama nichts von ihren weiteren Plänen ahnt, das gäbe sicher noch einiges Hin und Her über Einsamkeit und all diese Dinge.
     

     
    »Na gut«, meint Mama, »aber fragen könntest du schon.«
    Anja winkt ihr zu und schleppt die Tasche hinüber zu Fränzi.
    »Stell alles in die Kammer«, ruft Fränzi von hinten, »ich fang schon mal mit der Abendrunde an.«
    Anja drückt die Tür zur Kammer auf. In der Ecke steht ein altes Bett mit einer durchgelegenen Matratze, der Boden ist ziemlich staubig, und den Lichtschalter findet sie auch nicht. Nachher muss sie Fränzi danach fragen. Sie stellt die Tasche ab und holt einen Besen. Das macht sie zu Hause nur, wenn Mama dreimal nachfragt. Aber zu Hause ist es eben auch nicht richtig dreckig. Die Kammer dagegen starrt vor Dreck. Als Anja anfängt zu fegen, wirbelt sie den Staub erst richtig auf und fängt an zu husten. Sie fegt den Dreck eine Weile hin und her, bis sie darauf kommt, alles mit dem Besen in die Diele zu schieben. Jetzt ist es hier zwar viel staubiger, aber wenigstens die Kammer etwas sauberer. Und Anja ist ja nicht pingelig, wenn sie es

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