Brennpunkt Nahost
Anschlag, über 300 wurden verletzt. Damals hatte sich in einer Videobotschaft eine sunnitische Gruppe namens ›Brigade von Aisha‹ zu dem Anschlag bekannt. Dieser Anschlag sei die zweite Warnung an Hisbollahchef Hassan Nasrallah, sagte ein Maskierter in dem YouTube-Video.
Spätestens seit diesen beiden verheerenden Anschlägen mit über sechzig Toten und bald 600 Verletzten hat der syrische Bürgerkrieg den kleinen, ohnehin schon in normalen Zeiten nicht sehr stabilen, Libanon erreicht.
Oder Jordanien, das über eine halbe Million syrische Flüchtlinge aufgenommen hat, obwohl es kaum die eigene Bevölkerung mit genügend Wasser versorgen kann. Teilweise leben sie in einem der Flüchtlingslager, teilweise sind sie auf die großen Städte verteilt und hausen dort unter ärmlichsten Verhältnissen. Prostitution, Gewalt und Kriminalität machen sich breit. Die Spannungen mit der einheimischen Bevölkerung wachsen. Die Jordanier haben zum Beispiel immer weniger Verständnis, dass sie viel Geld für das knappe Gut Wasser bezahlen müssen, während die Flüchtlinge ihr Kontingent von den ausländischen Hilfsorganisationen umsonst bekommen. Arbeitsfähige Flüchtlinge bieten sich auf dem jordanischen Arbeitsmarkt als Hilfskräfte an zu Dumpinglöhnen, die weit unter dem liegen, was ein Jordanier normalerweise verdient. Zehn Prozent der in Jordanien lebenden Menschen sind inzwischen Flüchtlinge aus Syrien. Überträgt man diese Zahl auf Deutschland, dann entspräche das einer Zahl von acht Millionen aus Syrien aufgenommenen Flüchtlingen und nicht 5 000, für die die Bundesregierung bereit ist die Grenzen zu öffnen. In Jordanien ist der Flüchtlingsstrom aus Syrien noch nicht abgerissen. Lange wird der selbst arme Wüstenstaat diesen Druck nicht mehr aushalten können. Im Hintergrund wartet die ›Islamic Action Front‹ auf ihre Chance. Das sind die jordanischen Muslimbrüder.
5 Der syrische Teufelskreis
Noch nie war die Lage in der arabischen Welt so zerbrechlich und angespannt wie heute. Das Alte scheint zu verschwinden. Dafür haben die Aufstände 2011 gesorgt. Unklar ist aber, was als Neues kommt. Anfangs sah es für einen kurzen Augenblick so aus, als kämpften die Tahrirplatz-Demonstranten für einen säkularen Staat. Doch stellte sich das schnell mehr als Wunschtraum denn als Realität heraus. Zumindest in Tunesien und Ägypten war schon früh klar, dass als Sieger nur die Muslimbrüder in Frage kommen, obwohl sie sich erst spät den Aufständen angeschlossen hatten. Die ersten freien Parlamentswahlen haben sie dann auch erwartungsgemäß überwältigend gewonnen. In Ägypten zusammen mit den Salafisten mit einer Zweidrittelmehrheit. Zwei Jahre später allerdings ist ihr Traum von der Macht wieder zerplatzt. Das ägyptische Militär stürzt die frei gewählte Regierung der Muslimbrüder wegen anhaltender Proteste gegen den Präsidenten und seine gescheiterte Politik. In Tunesien ist die islamistische Enahda-Partei als stärkste Partei an einer Regierungskoalition beteiligt. Aber auch hier wachsen die Konflikte dem Land allmählich über den Kopf.
In Syrien ist aus den friedlichen Demonstrationen, mit denen der Konflikt 2011 begonnen hatte, eine Art Stellvertreterkrieg geworden, der immer mehr die Züge eines Religionskrieges annimmt. Schiiten gegen Sunniten, Katar und Saudi Arabien gegen den Iran und schließlich ein Wettkampf zwischen Russland und den USA, den Putin durchaus gewinnen kann. Die friedlichen Demonstranten von einst sehen sich an den Rand der jüngsten syrischen Geschichte gedrängt, dabei hatten sie nur Respekt, Würde, politische Teilhabe und ein besseres Leben gewollt. Anfangs hatten sie sogar darauf verzichtet, den Rücktritt Assads zu fordern. Das kam erst später. Auf den frischen Wind aus Ägypten und Tunesien hatten sie 2011 gesetzt und müssen nun erleben, wie ihr Land in einen zerstörerischen Tornado gerät.
Vom arabischen Frühling zum blutigen Sommer
Wie ist diese nicht gerade positive Bilanz des arabischen Frühlings zu deuten? Hat sich der tunesische Gemüsehändler Mahmoud Bouazizi etwa am 17. Dezember 2010 vergeblich verbrannt? Blieben die Proteste, die er durch seine Verzweiflungstat ausgelöst hatte, erfolglos? Sind also die rund 200 Tunesier, die während der Proteste von der Polizei getötet wurden, umsonst gestorben? Womöglich auch die mehr als 850 meist jungen Ägypter, die 2011 auf dem Tahrirplatz ums Leben gekommen sind? Oder die über 1 000, die seit dem 14. August
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