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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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pflichtbewusste Entdecker, deren Taten unser aller Leben irgendwann erleichtern würden.
    In der Nacht schlugen die nahen Äste der Bäume oft gegen unser Haus, die Fenster klirrten, sie konnten nicht ausweichen und hielten trotzdem der harschen Witterung stand (im Sommer war es brütend heiß und im Winter bitterkalt). Als die Tante noch lebte, öffneten wir manchmal im Frühjahr die Fenster, um den Wind ins Haus zu lassen,
es gäbe keine bessere Gelegenheit, zu lüften, man müsste nur sich und die Seinen festhalten,
sagte die Tante. Woraufhin ich mir eine Fotografie meiner Mutter griff (die mir bald daraufhin abhandenkam),ich stellte mir vor, wie ich ihre Hand hielt und sie mit dem Onkel stritt, wie sie widersprach und mir zuzwinkerte. Und nachdem der Wind unser Haus gefegt hatte, verbrachten wir Tage damit, allerlei Dinge in den diversen Räumen zurechtzurücken, die der Wind aus dem Lot gebracht hatte. Das war allemal leichter, als so ein Haus von Grund auf (mit Putzlappen) sauber zu machen, ich konnte in der gewonnenen Zeit allerlei Nützliches fürs Leben lernen.
    Der Onkel brachte mir etwa Geheimschriften bei, mit deren Hilfe ich (völlig unbemerkt) versteckte Botschaften für meine (so die fiktive Annahme) verbliebenen Gefährten zurücklassen konnte. Am einfachsten war es, Fensterscheiben anzuhauchen, dort ließen sich Kurznachrichten deponieren, die, kaum notiert, wie von Geisterhand verschwanden. Um sie erneut hervorzuzaubern, genügte es, sie seinem warmen Atem auszusetzen … Vielleicht vermochte man, auf diese Weise auch Lebende von Toten zu unterscheiden.
    Es gab jedoch auch andere Möglichkeiten, seine Botschaften an den Mann zu bringen … Der Onkel zeigte mir, wie die Männer und Frauen in der griechischen Stadt Sparta einst verfahren waren, wollten sie ihre Worte sicher verschlüsseln. Sie wickelten einen schmalen Streifen Leder oder Pergament um einen Holzstab, auf den später (der Länge nach) die Botschaft geschrieben wurde. Kaum hatte man diese wieder abgewickelt, ergaben die Zeichen keinen Sinn mehr … Man musste sie, nachdem sie überbracht worden waren, um einen exakt gleich bemessenen Stab wickeln,
die Griechen nannten diesen «Skytale»,
sagte der Onkel. Er erzählte mir auch die Geschichte eines gewissenHistiaeus, der wiederum einen Aristagoras zum Aufstand gegen irgendwelche Könige aufstacheln wollte, und um diese wichtige Botschaft sicher zu übermitteln, ließ Histiaeus den Kopf des Boten rasieren, brannte die Nachricht auf seiner Kopfhaut ein und wartete ab, bis das Haar nachgewachsen war, erst dann durfte der Bote aufbrechen. Später musste sich dieser am Zielort lediglich seinen Kopf rasieren, und die Botschaft gelangte in die richtigen Hände.
    Einmal hat mir der Onkel sogar gezeigt, wie man Nachrichten in gekochten Eiern verbirgt, es war überhaupt nicht schwer … Wir vermischten eine Unze Alaun mit etwas Essig und schrieben mit dieser unsichtbaren
Tinte
einige Belanglosigkeiten auf die Eierschalen. Die Lösung durchdrang die Schale und hinterließ besagte Worte (ich glaube, sie lauteten
Krähwinkel
und
Trübstrü
) auf der Oberfläche des gehärteten Eiweißes. Man konnte sie nur dann lesen, wenn die Schale entfernt wurde, ob man das Ei überhaupt noch essen durfte, erfuhr ich aber nicht.
    Ich ließ mir jedenfalls allerlei einfallen, was ich der Nachwelt hinterlassen könnte, und ärgerte mich maßlos über die Tante, wenn sie (zu Lebzeiten) die Fenster reinigte oder meine sorgfältig zugeschnittenen Holzstäbe verheizte oder wieder einmal vergaß, frische Eier einzukaufen, oft genug ging aus purer Vergesslichkeit alles verloren.
    Vieles blieb ohnedies für immer im Dunkeln … So wurden in unserer Siedlung die Kinder tatsächlich niemals erwachsen, sie blieben klein und beweglich, lachten und spielten den ganzen Tag, was manchmal seltsame Fragen nach sich zog. Einmal kamen Verwaltungsbeamte und zählten dieKinder durch, sie legten Maßbänder an und notierten Größe und Gewicht, sie spannten diese zwischen Scheitel und Sohle, daran ließ sich einfach alles ablesen. Wie jemand hieß und welcher Familie er zugehörte und ob er gute Noten hatte oder manchmal Fensterscheiben einwarf oder sogar Tiere quälte oder den Nachbarn Böses wünschte. Wenn es regnete, besahen wir einander in den uns mahnenden Pfützen, unsere Spiegelbilder sprachen zu uns (während wir schwiegen), alle konnten es sehen und hören, doch keiner wunderte sich, nur die Allerkleinsten weinten.
    Für einen

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