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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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angestrengt. Der Mann aus dem Paternoster klopfte sich gelassen die Knie seines hocheleganten schwarzen Anzugs ab und richtete sich auf. In diesem Augenblick setzte sich der Paternoster wieder in Bewegung.
    »Vielen Dank. Schön, dass die Schwaben so hilfsbereit sind. Sind Sie auch auf dem Weg nach oben?«
    Sir Simon nickte eifrig.
    »Auch aus der Branche?«
    Da ich schlecht antworten konnte, nein, wir wollen nur lecker Häppchen schnorren, nickte ich. Wenn man nichts sagte, galt das nicht als Lüge, oder?
    »In welchem Laden sind Sie denn? Vielleicht kennt man sich ja?«
    O nein! Leider hatte Sir Simon versäumt, mir zu sagen, wer diesen Empfang ausrichtete. Laden. War das jetzt wörtlich gemeint oder im übertragenen Sinne? Wenn ich jetzt »Wittwer« sagte, oder »Yves Rocher«, war das vielleicht vollkommen daneben! Ich sah Sir Simon Hilfe suchend an. Er war doch sicher schon öfter in solchen Situationen gewesen!
    Sir Simon lächelte höflich. »Wir sind in einem Trainee-Programm. Da durchlaufen wir die verschiedensten ... Läden.«
    »Ach, wie interessant.« Der kleine Dicke musterte nachdenklich die grauen Locken von Sir Simon und sein abgewetztes Jackett, fragte aber nicht weiter. In seinen Mundwinkeln zeichnete sich die winzige Andeutung eines Lächelns ab.
    Im dritten Stock gerieten wir plötzlich in einen nicht abreißenden Menschenstrom, der sich aus dem Sitzungssaal ergoss. Der Strom floss jedoch nicht nach unten, stattdessen drängelten die Leute eifrig wie die Lachse nach oben. Vor einem Tisch mit Getränken staute sich eine durcheinanderplappernde Menge. Viele junge Leute, viel Schwarz, Jeans, T-Shirts, lässige Jacketts und Kapuzenpullis – irgendwie kam mir dieses Ambiente sehr bekannt vor. Ein Kellner unternahm mehrere Anläufe, Menschen auf der anderen Seite des Raums mit Getränken zu versorgen. Leider kamen ihm die gefüllten Sektgläser auf dem Tablett, das er sehr hoch über sich hielt, jedes Mal nach ungefähr zwei Sekunden abhanden, sodass er frustriert wieder abdrehte.
    Der Dicke bahnte sich einen Weg und teilte die Menge wie Moses das Schilfmeer. Applaus brandete auf. Er hob lässig die Hand zum Gruß.
    Ich reckte mich und konnte endlich einen Blick auf die langen Tische an der Längsseite des Flurs werfen, hinter denen adrette junge Frauen und Männer in weißen Blüschen und Hemden auf ihren Einsatz warteten, die Hände artig auf dem Rücken. Ach, was sah das köstlich aus! Da waren dreieckige Sandwiches, bunt belegte Baguette-Scheiben, Brezelchen und Pasten und Muffins und Küchlein und Cremes in winzigen Gläsern, alles liebevoll dekoriert mit Karottenröschen und Schnittlauchröllchen und Minzblättchen. Mir lief das Wasser im Munde zusammen.
    »Na, hat sich das nicht gelohnt?«, raunte mir Sir Simon triumphierend ins Ohr und drückte mir ein Glas Prosecco in die Hand, das er aus dem Nichts herbeigezaubert hatte. »Schnell austrinken. Wir brauchen die Hände frei fürs Büfett.«
    Unser kleiner Dicker hatte jetzt das Rednerpult vor dem Panoramafenster erreicht, wo er mit Handschlag von einem großen Dünnen mit Brille und hohem Haaransatz begrüßt wurde. Das Klatschen wurde jetzt geradezu ekstatisch. Der große Mann nahm ein Mikro in die Hand und stellte sich hinter das Rednerpult. Der Applaus brach abrupt ab.
    »Meine Damen und Herren, Stuttgart nimmt einen eiropäischen Spitzenblatz in der Kreativwirtschaft ein. Mir Schwaben sind ja bekannt dafir, dass wir Tüftler sind, aber mir ziehen auch kreative Talente von sonschdwo an und gäben ihnen eine neie Heimat in unserer schönen Stadt zwischen Wald und Räben ...«
    Füße scharrten. Schritte bewegten sich Richtung Büfett. Ich nahm einen tiefen Schluck Prosecco. Der Lange war fertig, es wurde höflich applaudiert. Nun übernahm der Dicke das Mikro. Er kümmerte sich nicht um das Rednerpult und lief stattdessen gestikulierend auf und ab.
    »Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin nicht hierhergekommen, um Süßholz zu raspeln. Hören wir endlich auf, uns zu belügen! Die Krise der Werbung ist unsere eigene Krise. Fehlende AKVs – Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortungen. Intransparente Prozesse, kein strukturiertes Reporting-System, Druck von Teilmengen, um Termine einzuhalten – darauf müssen wir reagieren! Kundenbeziehungen sichern! Bildstände versionieren! Hybride Inhalte Richtung dynamische Inhalte verschieben!
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wird den Nutzeransprüchen im Zeichen des Internet nicht mehr genügen.
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! Vielen

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