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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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den Block.«
    »Sie missad sichr Kurzarbeit macha«, sagte die Frau mit zitternder Stimme. »Sonschd dädad Sie ja om die Zeit schaffa, so als Maa. Des isch schlemm, des isch arg schlemm, fir so a jonge Familie. Sen Sie beim Daimler on hockad deshalb vor dr Daimler-Gedenkschdäd?« Plötzlich fiel ihr Blick auf den Hightech-Wagen. »Aber Sie hen doch ihr Wendeldasch drbei«, rief sie aus und deutete auf eine Plastiktasche im Untergestell des Wagens, auf der in großen Lettern »Penaten« stand.
    »Ach, tatsächlich!«, rief John-Boy in gespielter Überraschung aus. »Wir müssen jetzt aber leider wirklich gehen. Schönen Tag noch.« Sehr bestimmt nahm er der Alten das Kind weg und legte es mir auf den Arm. »Ab zum Polizeirevier«, zischte er mir ins Ohr. »Kind ablegen.«
    Wir drehten uns um. Prima. Ein Mann und eine Frau in Polizeiuniform kamen uns auf dem Spazierweg entgegen. Panisch blickte ich in die andere Richtung. Auch von dort näherten sich zwei Beamte. Wir waren eingekesselt.
    »John-Boy, wir tun erst mal so, als wäre nichts«, flüsterte ich verzweifelt. »John-Boy?«
    John-Boy hatte sich mit hochgerissenen Armen neben dem Kinderwagen auf die Knie geworfen und die Augen fest zugekniffen. Verdammter Feigling! Was sollte ich jetzt bloß machen? Ich konnte die Arme nicht hochnehmen, ohne das Kind fallen zu lassen. Plötzlich tauchte hinter den Polizisten eine weibliche Gestalt auf und raste auf mich zu. Es war die Frau aus der Bahn, die ich für die Lehrerin gehalten hatte.
    »Bleiben Sie da weg«, brüllte ein Polizist.
    »Ich bin total harmlos, ich tu keiner Fliege was zuleide«, kreischte ich verzweifelt. Ich wurde für eine gemeine Verbrecherin gehalten, dabei schlug ich ja nicht mal Eintagsfliegen tot, weil ich ihr sowieso kurzes Leben nicht vorzeitig beenden wollte. Mit ausgestreckten Armen hielt ich der Frau das Kind entgegen, um der Polizei meine Kooperationsbereitschaft zu beweisen.
    »Mein Baby!«, kreischte sie hysterisch und riss mir das Kind aus den Armen. Es begann sofort wieder zu brüllen.
    »Ihrem Kind geht es gut«, schrie ich. »Es ist alles nur ein schreckliches Missverständnis.«
    »Mein Bugaboo Cameleon!«
    »Was?« Jetzt konnte ich nicht mehr richtig folgen.
    »Der Kinderwagen! Das ist ein Bugaboo Cameleon mit höhenverstellbarem Schwenkschieber, Aerosleep-Auflage und Aufsatzventil für Fahrradpumpen. Der Mercedes unter den Kinderwagen. Haben Sie vielleicht eine Ahnung, was der kostet? Dafür hat mein Mann ein halbes Monatsgehalt hingelegt! Schon allein der Sonnenschirm kostet vierzig Euro.«
    »Ihrem Kinderwagen geht es gut«, sagte ich. Dann sank ich ermattet neben John-Boy in die Knie, wie vor den Traualtar.
    Sekunden später hatten uns die Beamten erreicht. »Stehen Sie auf«, sagte die Polizistin. »Was soll der Mist?«
    »Wollen Sie uns keine Handschellen anlegen?«
    Die Frau schüttelte den Kopf. »Sie haben zu viel ›Die Straßen von San Francisco‹ auf Nostalgie-TV geguckt. Können wir mal Ihre Ausweise sehen?«
    Ich sprang wieder auf. »Glauben Sie mir, wir wollten das Kind nicht entführen«, flehte ich die Beamten an und kramte nach meinem Ausweis.
    »Das klären wir auf dem Revier«, sagte der Polizist ungerührt.
    »Es tut mir leid, ich habe meinen Ausweis nicht dabei«, sagte ich.
    John-Boy hielt die Augen immer noch fest geschlossen und rührte sich nicht.
    Der Beamte tippte ihn an. »He, Sie. Stehen Sie auf.«
    John-Boy sprang auf und zerrte seine Brieftasche aus der Innentasche seines Jacketts. »Hier, mein Ausweis. Ich muss Sie jedoch um höchste Diskretion bitten.«
    »Schade eigentlich«, sagte ich, an John-Boy gewandt. »Dies hätte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden können.«
    John-Boy antwortete nicht.
    Die Alte verfolgte das Geschehen aus einigem Abstand mit offenem Mund.
    Einer der Polizisten sah mich schon eine ganze Weile nachdenklich an. Plötzlich lächelte er. »Jetzt weiß ich, woher ich Sie kenne«, sagte er langsam. »Haben Sie nicht vor ein paar Monaten am Killesberg mit einem Smart einen Zaun umgenietet? Das waren doch Sie, oder?«
    Ich lächelte kläglich zurück. »Ich fürchte, ja.« Prima. Ich war also schon polizeibekannt.
    Er grinste. »Sie haben uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt mit dem Baby.«
    Sein Grinsen in dem heillosen Durcheinander tat mir gut. Hatte er mir damals nicht seine Karte zugesteckt? Wie hieß er noch gleich?
    Die nächsten Stunden auf dem Polizeirevier 6 in der Wiesbadener Straße blieben mir nur

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