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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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immer noch nicht kannte, samt sündhaft teurem Bungalow meistbietend an eine reiche Moskauer Familie zu verhökern. Ich stieg ein und die Tür rumste hinter mir zu. Es gab keine Gurte und ich musste mich festhalten, um in den Kurven nicht vom Sitz zu rutschen. Da kontrollierte die Polizei die Anschnallpflicht und hielt sich selber nicht daran! Ich würde noch heute Nacht in der Zelle einen Beschwerdebrief schreiben.
    Der Polizeiwagen fuhr jetzt eine Auffahrt hinauf. Ein Tor faltete sich zur Seite und schloss sich hinter uns wie von Geisterhand. Niemand wusste, wo ich war. Hier würde ich nie mehr rauskommen!
    Simon hielt an und öffnete die Tür. Ich fand mich in einem burgähnlichen Innenhof wieder, in dem Polizeiauto an Polizeiauto geparkt war. Mein kleiner Neffe Salo hätte seine helle Freude gehabt. Ich dagegen hörte nur die Schreie und Schläge hinter den vergitterten Fenstern. Um Himmels willen. Das war kein Polizeipräsidium, das war das
House on Haunted Hill
.
    »Keine Sorge«, sagte Simon. »Die da randalieren, sind Betrunkene in den Ausnüchterungszellen unten. Du wirst in einem ganz anderen Stockwerk untergebracht.«
    Das war ja wirklich total beruhigend. Simon führte mich an ein paar rauchenden Polizisten vorbei in das Gebäude. Ein Beamter und eine blonde Frau mit Brille warteten auf mich. Die Frau trug Jeans und eine rote Fleece-Jacke. Sie sah so angenehm normal aus. Ich hatte für den Rest meines Lebens genug Polizeiuniformen gesehen.
    »Alles Gute«, murmelte Simon so leise, dass es die beiden nicht hören konnten. »Mach dir keine Sorgen, es wird sich bestimmt alles aufklären. Wenn du magst, ruf mich morgen an.«
    Die hellblaue Gittertür fiel krachend hinter ihm ins Schloss. Nur mühsam widerstand ich dem Impuls, hinter ihm herzurennen und an den Gitterstäben zu rütteln. Ich fühlte mich jämmerlich allein.
    »Kommen Sie bitte mit«, sagte die blonde Frau und führte mich in einen nüchtern-sterilen Raum, dessen karge Möblierung schon bessere Zeiten gesehen hatte.
    »Hier sieht’s ja aus wie im Krankenhaus«, sagte ich.
    »Kein Wunder«, sagte die Frau. »Das ist das ehemalige Robert-Bosch-Krankenhaus. Dahinten wurden früher die Leichen aufgebahrt.«
    Na großartig. Das wurde ja immer besser!
    Die Frau hatte angefangen, auf einem Formular sämtliche Gegenstände einzutragen, die sich in meiner Umhängetasche befanden. Sie legte alles in eine rote Plastikkiste und schob meinen Geldbeutel in einen Umschlag.
    »Ihre Armbanduhr, bitte.« Die Uhr wanderte ebenfalls in den Umschlag.
    »Und jetzt geben Sie mir bitte alles, was Sie sonst noch lose am Körper tragen, einschließlich BH. Wegen der Selbstmordgefahr.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich trage keinen BH. Und umbringen will ich mich eigentlich auch nicht.«
    »Dann unterschreiben Sie jetzt bitte das Formular. Anschließend werde ich Sie abtasten.«
    Sie zog Einwegplastikhandschuhe über und tastete mich von oben bis unten ab. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, ich würde mit Leon nach Mallorca fliegen.
    »Möchten Sie vielleicht eine Decke für die Zelle? Es ist zwar ziemlich warm da oben, aber so, wie Sie angezogen sind ...«
    Sie führte mich in einen angrenzenden Raum, der aussah wie die Kleiderkammer der Caritas. »Möchten Sie auch wärmere Kleider oder reicht Ihnen die Decke?« Sie gab mir eine zerschlissene graue Decke, auf der in grüner Schrift »Polizei BW« stand.
    Ich blickte auf die Kleiderstapel. Ich trug nur einen Slip, eine abgeschnittene Jeans und ein bauchfreies Top und die Decke kratzte fürchterlich, aber ich hatte das Gefühl, ich würde in einen unkontrollierten Heulkrampf verfallen, wenn ich jetzt auch noch Altkleider anzog.
    »Danke«, sagte ich. »Das reicht so.«
    »Ihre Sachen bekommen Sie morgen wieder«, sagte die Frau. »Nachdem Sie beim Haftrichter waren.«
    Sie brachte mich zurück zur Pforte. Der Beamte, der mich in Empfang genommen hatte, nahm meine Personalien auf, dann führte er mich in den ersten Stock und öffnete mit einem riesigen Schlüssel an seinem bunten Schlüsselbund die Zelle mit der Nummer 111. Okay, Leon und ich wurden also vom Liftboy auf unser Zimmer gebracht. Leider brach mein Fantasiebild ziemlich schnell zusammen. Auf einer Holzpritsche lag eine dünne Plastikmatratze. Hinter einer Betonabtrennung verbarg sich ein Stehklo. Die Wände waren in verschiedenen Sprachen wüst vollgekritzelt. Was für Dramen hatten sich hier drin bereits abgespielt?
    »Ihre Schuhe müssen draußen

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