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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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bleiben«, sagte der Beamte. »Wegen der Selbstmordgefahr.«
    Ich blickte ungläubig auf meine dünnen Sandalen und stellte sie brav vor der Tür ab. Irgendwie hatte ich gewisse Zweifel, dass ich am nächsten Morgen Nuss und Mandelkern darin vorfinden würde. Ich warf einen Blick in den Flur. Ein paar Zellen weiter stand ein Paar klobige Männerschuhe. Vielleicht konnten wir uns ja per Klopfzeichen verständigen?
    »Wenn irgendetwas ist, können Sie jederzeit klingeln«, sagte der Beamte. »Wir haben auch einen Arzt im Haus. Und alle zwei Stunden machen wir kurz das Licht an, um zu überprüfen, dass alles in Ordnung ist. Bewegen Sie sich dann einfach ein bisschen. Okay?«
    Das würde ja eine total entspannte Nacht werden. Die Tür fiel ins Schloss. Ich war allein.
    Die Luft in der Zelle war entsetzlich stickig. Natürlich konnte man das Fenster nicht öffnen. Ich ließ mir an dem klobigen Waschbecken kaltes Wasser über Gesicht und Hände laufen. Im Ausguss hing ein Büschel Haare. Ich fühlte mich schrecklich. So schrecklich, dass ich nicht mal Hunger hatte, obwohl ich seit Stunden nichts gegessen hatte außer ein paar Keksen. Wie spät es wohl war? Lila würde sich keine Sorgen machen, sie glaubte ja, ich würde bei Leon übernachten. Aber Leon ...
    Ich klingelte. Nach ein paar Minuten wurde von außen eine Klappe geöffnet und der Beamte spähte herein.
    »Hören Sie, ich habe meinen Freund noch nicht erreicht. Er macht sich sicher schreckliche Sorgen. Könnte ich noch mal versuchen, ihn anzurufen?«
    »Ja, sicher.«
    Rasselnd drehte sich der Schlüssel im Schloss und der Beamte führte mich in eine Art Büro am Anfang des Gangs. Er notierte die Nummer auf einem Formular – hier schien es für alles Formulare zu geben – und blieb neben mir stehen.
    Mit zitternden Fingern wählte ich Leons Nummer. Es klingelte. Es klingelte und klingelte. Wahrscheinlich lief Leon in der Notaufnahme des Marienhospitals nervös auf und ab und wartete darauf, dass ich eingeliefert wurde. Dann sprang der AB an. Ich hinterließ eine atemlose Nachricht. »Leon, es ist alles in Ordnung. Es ist nichts passiert. Na ja, fast nichts. Ich probier’s gleich noch mal, bitte nimm dann ab!«
    Ich sah den Beamten bittend an, dann wählte ich erneut. Wieder der AB. Wo zum Teufel steckte der Kerl? Beim dritten Versuch meldete sich eine verschlafene Stimme.
    »Mmjaa ...?«
    »Leon, endlich erreiche ich dich!«
    »Line. Es gibt dich also noch. Das ist schön. Moment. Gib mir einen Augenblick zum Wachwerden, ich habe schon geschlafen.«
    »Du hast
was?
«
    »Geschlafen. Ich muss früh raus, weißt du. Ich habe um acht ein Meeting mit ein paar Chinesen. Die nehmen um zwölf den Flieger zurück nach Wuxi.«
    Mir verschlug es die Sprache. Leon hatte mich weder als vermisst gemeldet noch die Krankenhäuser abtelefoniert, er hatte geschlafen!
    »Line, bist du noch dran? Wo warst du denn nun eigentlich?«
    »Ich ... ich ...« Meine Stimme zitterte. Tränen schossen mir in die Augen. »Ich bin im Kn...« Ich holte tief Luft. »Das ist eine lange Geschichte. Ich erzähle sie dir morgen, okay? Schlaf ruhig weiter. Ich dachte nur, du machst dir Sorgen.«
    »Klar hab ich mir Sorgen gemacht. Aber dann dachte ich mir, mein Line-Schatz kommt zwar manchmal in Schwierigkeiten, aber meist ist es harmlos, und irgendwann wird sie schon wieder wohlbehalten auftauchen. Das meinte Lila übrigens auch, als ich versucht habe, dich zu Hause zu erreichen.« Leon gähnte herzhaft.
    Das war ja wohl der Gipfel! Lila hatte ihn auch noch bestärkt! Ich könnte tot auf der Straße liegen, von einem in Zuffenhausen hergestellten Porsche überfahren, und mein Freund und meine beste Freundin lagen entspannt in ihren Betten und schliefen sorglos.
    »Warum hast du mich nicht auf dem Handy angerufen oder eine SMS geschickt?«
    »Ich hatte das Handy und deine Nummer nicht dabei. Wie gesagt, es ist eine sehr, sehr lange Geschichte.«
    »Irgendwann hättest du mich sowieso nicht mehr erreicht, weil ich das Handy im Kino ja abstellen musste.«
    »Du warst ohne mich im Kino?«
    »Na ja, es wäre ja schade gewesen um die Karten. Alle Leute waren schon drin, ich stand als Letzter noch draußen vor dem
Atelier am Bollwerk
, und da habe ich deine Karte an der Kasse deponiert. Die sind ja ganz nett da. Der Film war übrigens nicht schlecht. Es war natürlich ein bisschen schade, so ganz allein auf dem großen Kuschelsitz, und ich habe die ganze Zeit gehofft, dass du noch auftauchst. Aber jetzt

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