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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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verschwommen in Erinnerung. John-Boy hatte sofort seinen Anwalt gerufen, der gestikulierend und pausenlos auf dem Handy telefonierend die Gänge auf und ab lief.
    Ich hatte keinen Anwalt, durfte aber ein Telefonat führen und versuchte verzweifelt, Leon zu erreichen. Er würde sich sicher schreckliche Sorgen machen, schließlich waren wir zum Kino verabredet. Aber auf dem Festnetz nahm niemand ab, und seine Handynummer hatte ich nicht im Kopf. Ich hinterließ keine Nachricht.
    Die Befragungen zogen sich endlos hin. Irgendwann brachte mir Simon, der nette Polizist, einen Kaffee und ein paar bröselige Kekse.
    »Danke«, sagte ich. »Das ist wirklich nett von dir. Was machst du eigentlich hier in Cannstatt, warst du nicht vorher am Killesberg?«
    »Ach, wir sind doch komplett umstrukturiert worden. Weniger Reviere, weniger Leute, mehr Arbeit.« Er seufzte. »Jetzt schiebe ich eben hier Dienst.«
    »Wann darf ich endlich nach Hause? Ich hab meinen Freund nicht erwischt. Er macht sich bestimmt schreckliche Sorgen.«
    Simon wich meinem Blick aus. »Du wirst gleich erfahren, wie’s weitergeht.«
    O je. Das klang nicht gut. Ein paar Minuten später wurde Simon von einem Beamten abgelöst, dessen Bekanntschaft ich bisher noch nicht gemacht hatte. Seine Dienstmütze hing schief und sein beige-braunes Hemd unter dem grünen Blouson war zu eng für den zu dicken Bauch.
    »Okay«, sagte ich kämpferisch. »Wie geht’s jetzt weiter?«
    Der Beamte räusperte sich. »Wir haben entschieden, dass wir Sie morgen früh dem Haftrichter vorführen.«
    Das hatte ich jetzt von meiner Hilfsbereitschaft.
    »Wenn’s unbedingt sein muss«, sagte ich ergeben. »Um wie viel Uhr muss ich wo sein?«
    »Sie haben nicht verstanden. Sie bleiben über Nacht bei uns.«
    »Bei Ihnen?«
    »Nicht bei mir! Auf dem Polizeipräsidium!«
    »Hier?«
    »Nein. Oben am Pragsattel, in der Hahnemannstraße. Im Polizeigewahrsam.«
    »Sie meinen also – Sie sperren mich ein? Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst!«
    »Nun, es gibt zwei Probleme. Erstens konnten Sie sich nicht ausweisen und zweitens müssen wir noch Ihre Beziehungen zur russischen Mafia überprüfen.«
    »Zu welcher Mafia?«, fragte ich entsetzt.
    »Ihr Kollege hat uns darauf hingewiesen, dass Ihre Mutter russische Spionin war. Für uns klingt das eher nach Mafia. Und solange das nicht geklärt ist, behalten wir Sie wegen versuchter Kindesentführung über Nacht in der Zelle. Alles Weitere entscheidet dann der Haftrichter.«
    Ich stöhnte. »Das war doch nur ein Witz!«
    Der Beamte zuckte die Schultern. »Pech gehabt. Sie hätten sich vorher überlegen sollen, was Sie erzählen.«
    »Und John-Boy? Muss der auch in die Zelle?«
    Der Beamte schüttelte den Kopf.
    Das war ja wohl das Allerletzte!
    John-Boy sah ich noch einmal kurz auf dem Gang. Er wurde von einer langbeinigen Blondine in Stilettos abgeholt, deren Make-up vor lauter Heulen total verschmiert war. Hätte ich mir ja denken können, dass so ein Typ so eine Freundin hatte. Sie musterte mich mit finsterem Blick. Also wirklich, das war doch alles John-Boys Schuld gewesen! Mit hocherhobenem Kopf stolzierte ich auf ihn zu.
    »Ich gehe jetzt in U-Haft«, sagte ich. »Tut mir wirklich leid, dass du nicht mitdarfst. Das wird bestimmt total intensiv. Manche Leute jubeln ja, wenn sie vier Karten für so ein Event im Radio gewinnen.«
    »Na dann«, sagte er knapp und sah an meinem rechten Ohr vorbei. »Viel Glück. Vielleicht sehen wir uns in einer Talkshow wieder. Ich bin allerdings ...«
    »... beruflich ziemlich eingespannt«, vollendete ich. Ich drehte mich noch mal um. »Für welche Partei kandidierst du eigentlich?«, rief ich.
    »PKD. Partei für ein kinderfreundliches Deutschland.«
    Am Ausgang wartete Simon auf mich, einen Autoschlüssel in der Hand.
    »Ich fahre dich«, sagte er und deutete auf einen Polizeitransporter, der unmittelbar vor dem Revier geparkt war.
    »Das ist nett«, sagte ich.
    Ich hätte auch gar nicht gewusst, wie man in die Hahnemannstraße kam, und so konnte ich mich wenigstens noch ein bisschen unterhalten, ehe ich mutterseelenallein in die fürchterliche Zelle musste. Ich steuerte die Beifahrerseite an.
    Simon schüttelte verlegen den Kopf. »Du musst hinten einsteigen, fürchte ich.«
    Im hinteren Teil waren die Fenster vergittert. Ich hatte vergessen, dass ich eine böse Verbrecherin war, die Simon an der nächsten Ecke mit ihrer Umhängetasche eins über die Rübe pfeifen würde, um das Kind, dessen Geschlecht ich

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