Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
Vom Netzwerk:
brauchte einen Moment, um mich zu orientieren. Es war hell. Durch die offene Klappe blickte mich der Polizist vom Abend vorher fragend an.
    »Wie spät ist es?«
    »Viertel acht«, sagte der Beamte. »Um acht kommt die Kripo, um Sie zu befragen.«
    Frühstück, das war ja doch fast wie im Hotel!
    »Ich hätte sehr gerne Frühstück«, sagte ich. Ich wusch mir das Gesicht, ging ein bisschen in der Zelle auf und ab, um wach zu werden, und wurde mit jeder Minute hungriger.
    Endlich öffnete sich die Tür und der Beamte brachte mir ein Tablett, auf dem sich tatsächlich Kaffee, zwei frische Weckle und portionierte Butter und Marmelade befanden. Der Kaffee war Instant und schmeckte fürchterlich nach Kalk, aber immerhin. Wie ein Löwe machte ich mich über das Frühstück her.
    Kurze Zeit später holte mich der Beamte ab. »Und, konnten Sie wenigstens ein bisschen schlafen?«, fragte er.
    »Ein bisschen, danke«, sagte ich. »Und Sie? Für Sie war es doch sicher auch eine lange Nacht.«
    Er sah mich belustigt an. »Das war mein Kollege«, sagte er. »Wir haben um sechs Schichtwechsel.«
    »Verzeihung«, murmelte ich. Für mich sahen alle Polizisten gleich aus.
    Ich wurde in einen Raum neben dem Kabuff geführt, wo ich telefoniert hatte. Ein paar Minuten später tauchte ein Mann in Zivil auf. Endlich mal keine Uniform!
    »Guten Morgen, Schneckle, Dezernat 1.3, Raub und Erpressung. Ich werde Sie jetzt zum Tathergang befragen und dann entscheiden, ob wir Sie dem Haftrichter vorführen oder nicht.«
    Müde und fast mechanisch antwortete ich auf die Fragen.
    Es kam mir vor, als seien Stunden vergangen, als der Mann sagte: »Gut. Ich nehme Ihnen ab, dass es ein Versehen war.«
    »Soll das heißen ...?«, sagte ich ungläubig.
    »Wir setzen Sie auf freien Fuß, ja. Für uns ist die Sache erledigt. Und wenn Ihnen mal wieder so was passiert, rufen Sie bitte gleich die Polizei.«
    »Muss ich auch keine Strafe zahlen?«
    »Nein. Wenn Sie in der Ausnüchterung wären, hätte Sie die Zellennacht 170 Euro gekostet. Als Tatverdächtige bezahlen Sie nichts.«
    Ich konnte es kaum fassen. Der Albtraum war zu Ende, und ich hatte sogar auf Staatskosten gefrühstückt! Zehn Minuten später hatte ich meine Sachen wieder und wurde von einem Polizeiauto zum Ausfahrtstor gebracht. Dort ließ man mich aussteigen und zu Fuß durch das Tor gehen. Ich blickte zurück auf den Stacheldrahtzaun und das Schild, auf dem »Vorsicht! Freilaufende Diensthunde!« stand. Vor mir lag Stuttgart. Es war ein klarer, sonniger Morgen. Der Panoramablick war überwältigend. Noch nie hatte ich mich so gefreut, den Fernsehturm zu sehen, und noch nie war mir der am Pragsattel tobende Verkehr so großartig vorgekommen. Selbst die Luft kam mir frisch und rein vor nach dem Zellenmief.
    Ich nahm die U5 bis zum Hauptbahnhof und fuhr dann mit dem Bus nach Hause. Lila hatte mir auf dem Tisch einen Einkaufszettel hinterlassen. Unter der Liste stand in großen Lettern: »Wo warst du?« Ich musste sie unbedingt anrufen, aber ich würde es erst mal ruhig angehen lassen, um den schrecklichen Tag zu verdauen. Obwohl erst Dienstag war, hatte ich schon ein Freitags-Gefühl. So, als wäre der gestrige Tag drei Tage in einem gewesen. Vielleicht sollte ich ein paar von Lilas Grünlippmuschel-Kapseln nehmen? Erst mal trank ich zwei große Gläser von Lilas selbst gemachtem Holunderblütensaft, dann ging ich ins Bad, zog mir die verschwitzten Klamotten vom Leib und stellte mich in die Badewanne. Ich duschte und duschte und duschte. Von Weitem hörte ich das Telefon klingeln. Es war mir egal. Ich duschte weiter, auch wenn es total unökologisch war. Lila stellte das Wasser zum Einseifen und Haarewaschen immer ab. Ich hatte das Gefühl, den ganzen entsetzlichen vergangenen Tag und die eklige Wolldecke und die Nacht wegduschen zu müssen. Irgendwann war der Warmwasserboiler leer.
    Nach dem Duschen fühlte ich mich viel besser. Nackt lief ich die Treppenstufen hinauf und legte mich aufs Bett. Nur einen Augenblick ausruhen, dann würde ich Lila und Leon anrufen. Leon ...

3. Kapitel
    I make a date for golf and you can bet your life it rains
,
    I try to give a party and the guy upstairs complains
,
    I guess I’ll go through life just catchin’ colds and missin’ trains
,
    Ev’rything happens to me
.
    I never miss a thing, I’ve had the measles and the mumps
,
    and ev’ry time I play an ace my partner always trumps
,
    I guess I’m just a fool who never looks before he jumps
,
    Ev’rything

Weitere Kostenlose Bücher