Brezeltango
sagte ich beschwichtigend. »Ihr habt also gemeinsame Themen entdeckt. Das ist ja schön. Und dann?« Ich goss das kochende Wasser auf.
»Dann hat er gesagt, dass er nicht viel Zeit hat, weil das Wartezimmer voll ist, und ob ich nicht Lust hätte, das interessante Gespräch bei einem gemeinsamen Abendessen fortzusetzen. Und stell dir vor, ich hatte Lust. Wir waren dann Freitagabend beim Afrikaner in der Werastraße. Wir haben die vegetarische Probierplatte bestellt, das weiche Gemüse konnte ich gut essen mit dem behandelten Zahn, und uns stundenlang unterhalten. Am Samstag habe ich ihn dann auf dem Handy angerufen. Ich koche für dich, um mich zu revanchieren, habe ich gesagt, und es war nicht schwer, ihn zu überreden. Da hatte ich schon eine ungefähre Vorstellung davon, wie der Abend enden würde. Gekocht habe ich dann ein Drei-Gänge-Menü aus meinem verstaubten Kochbuch »Rezepte der Aphrodite«.
Lila als Verführerin? So kannte ich sie gar nicht. Und in nur zwei Tagen? Bei mir und Leon hatte es Monate gedauert! Das hatte ich nun davon, dass ich Lila das ganze Wochenende allein gelassen hatte! Hätte ich sie nur mit auf die Grillfete genommen!
»Aber Lila, ihr passt doch überhaupt nicht zusammen«, rief ich verzweifelt aus. »Du suchst doch jemanden, der innere Werte hat, keinen reichen Zahnarzt!«
»Reiche Leute können auch nett sein! Und wieso soll jemand, der Zahnarzt ist, keine inneren Werte haben? Ist das nicht reichlich arrogant? Harald fährt einmal im Jahr für drei Wochen nach Indien und macht kostenlose Zahnbehandlungen in den Slums. Außerdem engagiert er sich bei der Vesperkirche und behandelt Leute ohne Krankenversicherung.«
»Natürlich. Sicher macht es einer Aktivistin wie dir viel Spaß, über Inlays und Goldfüllungen zu sprechen.«
»Es macht auch Spaß, so eine tolle Freundin zu haben, die es einem von Herzen gönnt, auch mal ein bisschen glücklich zu sein.« Lila stand auf, blitzte mich wütend an und verließ die Küche mit einem lauten Schnauben.
Au weia, da war ich wohl zu weit gegangen.
Kurze Zeit später rauschte die Dusche. Ich holte tief Luft und schenkte mir Kaffee ein. Ich fühlte mich elend. Lila hatte recht. Ich gönnte ihr das Glück nicht. Ich war schlicht und ergreifend eifersüchtig auf – Harald, hieß er nicht so? –, weil er meine traute WG-Zweisamkeit mit Lila gefährdete. Ich kam und ging, wie es mir passte, und erwartete, dass Lila parat stand, wenn ich von Leon kam. Umgekehrt hatte mir Lila nicht ein einziges Mal vorgeworfen, dass ich sie vernachlässigte. Ich war eine egoistische Ziege!
Ich rannte zum Bad und pochte gegen die Tür. »Lila, du hast recht! Das war gemein. Es tut mir leid!«
Lila riss die Tür auf, ein Handtuch war um ihre runden Formen gewickelt. Ihre Haare glänzten nass. »Ach ja?«
»Lass uns heute Abend was kochen und Rosamunde Pilcher oder Tatort gucken«, bettelte ich. »Wie in alten Zeiten!«
»Rosamunde Pilcher ist schon längst von Inga Lindström abgelöst worden«, sagte Lila vernichtend. »Außerdem musst du heute noch fernsehfasten. Und jetzt gehe ich für ein paar Stunden in die Wohngruppe und dann bin ich bei Harald. Warte nicht mit dem Essen auf mich.« Ohne mich weiter zu beachten, ging sie an mir vorbei und die Treppe hinauf zu ihrem Zimmer. Kurze Zeit später jaulte der Föhn.
Ich ließ mich wieder auf den Küchenstuhl fallen. Leon verreist, Lila verliebt und noch dazu sauer auf mich … Die nächsten Tage würden großartig werden.
7 »A scheene Leich« bedeutet nicht, dass es sich um eine besonders attraktive Leiche handelt, schließlich befinden sich auch in Schwaben Leichen bei Begräbnissen in der Regel in verschlossenen Särgen ohne Guckfenster. Damit wird vielmehr der nachfolgende Leichenschmaus bezeichnet, bei dem dann bei einem Viertele und Hefekranz Anekdoten aus dem Leben des oder der Verstorbenen ausgepackt werden und es ruhig auch wieder etwas lustiger zugehen darf (vgl. auch »So jong komma mr nemme zamma«).
8. Kapitel
I wanna make you smile whenever you’re sad
,
Carry you around when your arthritis is bad
,
Oh all I wanna do is grow old with you
.
I’ll get your medicine when your tummy aches
,
Build you a fire if the furnace breaks
,
Oh it could be so nice, growing old with you
.
Am Montagmorgen weckte mich die ungewohnte Stille im Haus. Es dauerte eine Weile, bis ich kapierte, dass ich Lilas Morgengeräusche vermisste. Ich seufzte und griff nach dem Handy. Immer noch kein
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