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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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für die Thailänderinnen, Glück für uns.
    »Jetzt könnte mer ene racha. Ei, gibt’s do ka Rachazimma?«
    Leon und ich sahen uns bedeutungsvoll an. Wir schwiegen beide. Kurz darauf waren die Jungs abgezogen, auf der Suche nach einem Raucherzimmer. Wir atmeten erleichtert auf.
    »Hoffentlich suchen sie recht lange«, grinste Leon. »Auch auf der anderen Seite des Speisewagens.«
    »Ich werde jetzt erst mal ein Klo suchen«, sagte ich.
    Es gab drei Klos. Zwei davon waren besetzt und vor den Türen hatten sich Schlangen gebildet. Musste man hier auch schon Nümmerchen ziehen, wie beim Fahrkartenkauf im Stuttgarter Hauptbahnhof? Weil auch die Gänge mit Reisenden besetzt waren, die keinen Sitzplatz mehr bekommen hatten, hatte ich wenig Lust, mich zu einem anderen Wagen durchzukämpfen.
    Klos in ICEs waren nicht wirklich mein Fall. Einmal war die Tür kurz vor Stuttgart von innen nicht mehr aufgegangen, und bis man endlich mein Klopfen und Rufen gehört hatte, waren wir schon durch Stuttgart durch und ich musste bis Ulm mitfahren. Der Zugbegleiter auf dem Rückweg hatte mir nicht geglaubt, dass es ein Versehen war, und ließ mich noch einmal eine Fahrkarte kaufen.
    Warum ging niemand auf das dritte Klo? Wahrscheinlich war es irgendwie eklig. Vorsichtig öffnete ich die Tür. Es sah total normal aus. Ich warf einen fragenden Blick auf die Schlange. Niemand reagierte. Ich ging hinein und verriegelte die Tür von innen. Drinnen war es angenehm entspannt, nach den vielen Menschen im Zug. Welches Buch war das noch gleich, in dem die Heldin mit dem Hintern auf Raststätten Klobrillen abwischte? Wi-der-lich. Welche Frau setzte sich schon auf ein öffentliches Klo? Ich stellte mich in Skifahr-Eiformhocke hin, so, wie das jede Frau machte, die ich kannte. Man sah das ja, wenn man mal gemeinsam hinter die Büsche ging. Der ICE legte sich in eine Kurve. Hilfe! Die blaue Plastikwand unter dem Waschbecken, in der Klopapier, Mülleimer und Papiertücher untergebracht waren, bewegte sich plötzlich wie von Geisterhand, kippte und sauste auf mich zu. Rums! Der Fall wurde schmerzhaft von meinen Knien aufgehalten, die sich doch gerade erst von den blauen Flecken erholten, die sie in letzter Zeit bei verschiedenen Gelegenheiten kassiert hatten. Ich drückte die Wand mit beiden Händen zurück. Sie blieb ungefähr zwei Sekunden da, wo sie hingehörte, dann rutschte sie wieder auf mich zu. Das war doch nicht zu fassen! Hier waren drastische Maßnahmen nötig. Mein unfehlbarer Pipeline-Praetorius-Faustschlag! Ich schob die Wand wieder an ihren Platz und trommelte so kräftig mit den Fäusten dagegen, wie ich nur konnte. Dazu stieß ich ein paar markerschütternde Schreie aus, wie die Tennisspielerinnen bei Wimbledon. Krack! Das Plastikteil brach aus der Wand und zerlegte sich in mehrere Einzelteile, die auf meine Knie, das Klo und den Boden krachten. Gebrauchte Papierhandtücher überfluteten mich, Klorollen kullerten auf den Boden, der Wasserhahn begann zu plätschern und der Handtrockner fing an zu jaulen. Arrrgh! Nur raus aus dem Klo des Grauens! Hoffentlich sah mich niemand. Vorsichtig spähte ich aus der Tür. Direkt davor stand ein Zugbegleiter und blickte mich stirnrunzelnd an.
    »Ich ... ich hab’s repariert«, stotterte ich und drückte mich ganz schnell an ihm vorbei und zurück an meinen Platz.
    Die Söhne von Heinz Becker hatten mittlerweile wohl kapiert, dass es keine Raucherabteile mehr gab, und ihre Plätze wieder eingenommen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Leon. »Du bist ja ganz erhitzt.«
    »Alles okay«, murmelte ich. »Ich hab nur grad das Klo zerlegt.«
    »Wenn’s weiter nichts ist«, sagte Leon und grinste. »Klingelt da nicht dein Handy?«
    Ich quetschte mich auf meinen Sitz und fummelte das Handy aus der Tasche. Die Nummer auf dem Display sagte mir gar nichts. Bestimmt verwählt.
    »Ja, hallo?«, sagte ich.
    »Hallo, Line. Hier ist Simon. Du weißt schon, vom Polizeirevier.«
    »Hallo, Simon«, sagte ich und schielte nach Leon.
    Leon blätterte im
mobil
-Heftchen der Bahn und schien abwesend.
    »Ich wollte nur hören, wie es dir geht. Ich dachte, du meldest dich mal nach der Nacht in der Zelle.«
    »Nett von dir. Ich sitze grad bloß im ICE nach Hamburg. MIT MEINEM FREUND. Es ist sehr laut, ich verstehe dich kaum. Ich rufe dich nächste Woche zurück, okay?« Ich legte das Handy auf den Tisch und blickte aus dem Fenster.
    Leon ließ das Bahn-Magazin sinken und sah mich prüfend an. »Simon. Kenne ich einen

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