Brezeltango
bist immer für mich da, und du bist total zuverlässig ...«
Leon sah mich abwartend an. Aber ich konnte doch im Bordbistro keine Liebeserklärung abgeben! Das war doch wohl wirklich nicht der passende Ort. Außerdem wusste Leon doch, was ich an ihm mochte. Ich konnte mit ihm über alles reden. Ich mochte sein Grinsen. Die Art, wie er mich neckte und dabei spöttisch die Augenbrauen hochzog. Sein lockiges Haar. Seinen kuscheligen Bauch. Wie er beim Autofahren die Kurven nahm. Er war mein Fels in der Brandung. Mein Heimathafen, in dem ich sicher und geborgen vor Anker gehen konnte, wenn das Katastrophen-Gen mal wieder zugeschlagen hatte. Meine kleine Sexbombe. War das etwa nichts?
»Und weiter?« Leon musterte mich prüfend.
»Also, wenn du es wirklich wissen willst ... Manchmal fehlt mir so ein bisschen was ... Intellektuelles. Aber das ist überhaupt nicht schlimm«, stotterte ich.
»Und deswegen suchst du dir irgendwelche türkischen Tangotänzer?«
»Nein, das hat sich nur irgendwie ... so ergeben. Von alleine, sozusagen.«
»Line, ich bin vielleicht altmodisch, aber mir reicht eigentlich eine Frau.« Er sah schrecklich unglücklich aus.
»Aber mir doch auch«, rief ich. »Leon, das hast du völlig falsch verstanden!« Ich warf ihm die Arme um den Hals und küsste ihn. »Wirklich. Ich mag dich so, wie du bist, und ich bin nicht auf der Suche nach jemand anderem!«
»Na schön«, brummte Leon. »Auch wenn ich mich natürlich schon frage, wie viele Handyanrufe von Männern du bekommst, wenn ich
nicht
dabei bin.«
Wir gingen zurück an unsere Plätze. Zum Glück war die Saarländer Truppe am Flughafen ausgestiegen. Leon und ich aßen unsere Vesperbrote. Essen beruhigte. Ganz allmählich ließ die Spannung zwischen uns nach. Nach einer Weile wurden die frei gewordenen Plätze neben uns von zwei Frauen eingenommen, die sich nicht kannten, rasch ins Gespräch kamen und nach wenigen Minuten Small Talk entdeckten, dass sie beide ihr Leben an ausbeuterische Männer und faule Kinder weggeworfen hatten und sich einig waren, dass damit nun ein für alle Mal Schluss sein sollte. Sie tauschten Adressen von Therapeutinnen, Selbsthilfegruppen und Internetforen aus. Ich hörte interessiert zu. Es lenkte von Leon ab, der, erschöpft von seiner Arbeitswoche, eingeschlafen war. Am Ende der Fahrt wusste ich mehr über das Leben der beiden Frauen als über mein eigenes.
15. Kapitel
Ick heff mol den Hamborger Veermaster sehn,
To my hoodah, to my hoodah,
De Maasten so scheep as den Schipper sien Been,
To my hoodah, hoodah, ho – ho – ho!
Endlich rollte der Zug auf den Hamburger Hauptbahnhof zu.
Leon wurde schlagartig hellwach. »Schau, da ist die Speicherstadt«, rief er aufgeregt. »Und da hinten bauen sie die neue Elbphilharmonie. Wie Stuttgart 21, viel teurer als geplant. Ach, ich kann’s kaum erwarten, dir meine Heimatstadt zu zeigen.«
Wir fuhren vom Gleis mit der Rolltreppe hinauf in den wuseligen Bahnhof und brachten unser Gepäck in einem Schließfach unter. Bei der Touri-Info holte ich mir noch einen Stadtplan, um mich wenigstens ein bisschen orientieren zu können. Leon führte mich aus dem Bahnhof. Er wirkte hippelig. So kannte ich ihn gar nicht!
»Da ist die Kunsthalle«, sagte Leon. »Die haben manchmal ganz schöne Ausstellungen.«
»Ich wusste gar nicht, dass du in Ausstellungen gehst«, sagte ich.
»Geh ich auch nicht. Ich weiß es von meiner Mutter.«
Wieder fiel mir Tarik ein. Wie ein kleiner hässlicher Dämon saß er in meinem Kopf und flüsterte: »Bist du sicher, dass du mit diesem Mann auf Dauer glücklich wirst?«
»Schau, da ist die Binnenalster und da hinten ist das Rathaus, das schaffen wir aber heute nicht mehr.«
Ein paar Minuten später hatten wir die Außenalster erreicht und liefen auf einem breiten Spazierweg am Wasser entlang, auf dem es vor Menschen nur so wimmelte. Der Spätsommerabend war einfach herrlich. Die Luft war klar und es war kein bisschen schwül, nicht so wie in Stuttgart an warmen Tagen. Ansonsten schien sich der Wochenend-Hamburger an der Außenalster vom Wochenend-Stuttgarter im Schlossgarten nicht besonders zu unterscheiden. Vielleicht waren die Leute im Schnitt ein bisschen größer und blonder. Sie entspannten sich wie die Stuttgarter beim Joggen und Radfahren oder saßen plaudernd auf dem Rasen und blickten auf die vielen Segelbötchen, die auf der Alster kreuzten.
Na gut, in Stuttgart gab es außer auf dem Max-Eyth-See keine Segelbötchen. Auf dem Eckensee
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