Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
mich. An alles. Ich dachte an unsere Kameradschaft und an all die blutigen Schlachten, die wir Seite an Seite durchgestanden hatten. Ich dachte daran, dass er ein wirklicher Freund gewesen war, der sein Leben für meines gegeben hätte, wie ich meines für ihn.
Vielleicht erinnerte auch er sich daran und wimmerte deshalb so. Ich wusste es nicht. Aber ich wusste, dass Ehrig mir nicht zu Hilfe gekommen war, als der Ferenczy seine Zähne in meinen Rücken geschlagen hatte.
Prügel wäre eine unzureichende Beschreibung für die Strafe, die ich ihm erteilte, ohne die Vampir-Materie Faethors in seinem Körper wäre er mit Sicherheit gestorben. Möglicherweise lag das sogar in meiner Absicht, doch ich kann es nicht mehr sagen, weil meine Erinnerung daran mittlerweile sehr verschwommen ist. Ich weiß nur noch: Als ich mit ihm fertig war, spürte er meine Schläge sicher nicht mehr, und ich selbst war völlig erschöpft. Doch selbstverständlich heilten seine Wunden wieder, genau wie meine eigenen. Und ich entwickelte eine neue Strategie.
Danach … wechselten sich Schlaf, Wachen, Essen endlos ab. Nach außen hin bestand mein Leben aus nichts anderem. Aber während ich wartete, schmiedete ich geduldig und schweigend Pläne. Der Ferenczy bemühte sich derweil, mich wie einen wilden Hund zu dressieren.
Es begann folgendermaßen: Er kam auf leisen Sohlen an die Tür geschlichen, um zu lauschen. Eigenartigerweise wusste ich genau, wenn er da war. Ich empfand nämlich mit einem Mal Furcht! Und wenn dieses Gefühl mich überfiel, war er da. Manchmal spürte ich, wie er sich an den Rändern meines Verstands herumtrieb und versuchte, in meine Gedanken einzudringen. Ich erinnerte mich, dass er sich mit dem alten Arvos über einige Entfernung hinweg verständigt hatte, und ich tat alles, um ihm meine Gedanken zu verschließen. Ich glaube, mit Erfolg, denn danach empfand ich einen Missmut, der nicht aus mir selbst stammte.
Er benutzte zu seiner Dressur Belohnungen. War ich »gut« und gehorchte ihm, gab es zu Essen. Er rief durch die geschlossene Tür: »Thibor, ich habe hier zwei schöne Ferkel!«
Wenn ich erwiderte: »Aha! Deine Eltern sind zu Besuch gekommen!«, nahm er einfach das Essen wieder mit. Doch sagte ich: »Faethor, mein Vater, ich verhungere! Bitte gib mir zu Essen, denn ansonsten müsste ich diesen Hund aufessen, den du mit mir hier unten eingesperrt hast. Und wer sollte mir dann dienen, wenn du dich draußen in der weiten Welt befindest und ich deine Ländereien und die Burg führen muss?« Dann öffnete er die Tür einen Spalt breit und legte meine Speisen innen ab. Stand ich jedoch zu nah an der Tür, bekam ich drei oder vier Tage lang weder Faethor noch irgendwelche Speisen zu sehen.
Und so wurde ich eben »schwächer«, fluchte immer seltener und begann, immer häufiger zu betteln. Nach Essen, nach Freiheit, wenigstens innerhalb der Burg, nach Licht und frischer Luft, nach Wasser, um ein Bad zu nehmen – aber vor allem darum, von Ehrig getrennt zu werden, den ich nun verabscheute, wie ein Mann seine eigenen Exkremente verabscheut. Darüber hinaus tat ich so, als würde ich physisch immer schwächer, »schlief« länger und wachte nur schleppend auf.
Schließlich kam der Zeitpunkt, da Ehrig mich nicht mehr aufzuwecken vermochte. Und wie der Hund dann an die Tür trommelte und nach seinem wahren Herrn schrie! Faethor kam, sie trugen mich nach oben bis zu den Zinnen über dem Saal, wo die Burg sich über die Felskluft spannte. Dort legten sie mich nieder, in der frischen Luft unter den ersten Sternen dieser Nacht, blassen geisterhaften Lichtpunkten am Himmel, den ich so lange nicht mehr gesehen hatte. Sonnenschein lag wie eine trübe Blase auf den fernen Bergen. Die letzten Strahlen erleuchteten die Felsnadeln hinter den Türmen der Burg.
»Er braucht wahrscheinlich nur frische Luft«, sagte Faethor. »Vielleicht ist er auch halb verhungert! Aber du hast recht, Ehrig – er scheint schwächer zu sein, als er sollte. Ich wollte lediglich seinen Willen brechen, jedoch nicht den Mann selbst. Ich besitze Pülverchen und Salze, die ihn wieder zu sich bringen sollten. Warte hier, ich hole etwas. Und behalte ihn im Auge!«
Er verschwand durch eine Falltür nach unten. Ehrig kauerte sich zu seiner Wache nieder. Ich beobachtete alles durch meine fast geschlossenen Lider. Und in dem Augenblick, als Ehrigs Aufmerksamkeit nachließ, war ich auch schon über ihm und griff an. Mit einer Hand drückte ich ihm die Kehle zu,
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