Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
der Höhenangst empfindet.
Faethor blickte in den Abgrund, und dann sah er mich mit feurigen Augen an – war das Angst in seinem Blick? Und genau in diesem Augenblick sank die Sonne über den Rand der Welt.
Die Veränderung war Faethor augenblicklich anzusehen. Die Dämmerung vertiefte sich, und der Ferenczy schwoll an wie ein großer aufgeblähter Giftpilz! Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse des Triumphes – die ich ihm mit einem letzten vernichtenden Schlag mit dem Schild gründlich verdarb.
Und er kippte rücklings über die Brüstung.
Ich konnte nicht glauben, dass ich ihn bezwungen hatte. Es schien wie ein Trugbild. Und während er hinabstürzte, klammerte ich mich an die Zinnen und spähte ihm hinterher. Dann geschah … etwas Seltsames. Er fiel wie ein dunkler Fleck auf die tiefere Dunkelheit im Tal zu. Doch einen Moment später änderte sich die Form des Flecks. Ich bildete mir ein, etwas wie ein gewaltiges … Strecken … zu hören, wie das Knacken riesiger Knöchel, und die Gestalt, die auf die Bäume und den Talgrund zuraste, schien sich wie eine große Decke zu entfalten. Sie fiel nicht mehr so rasch und auch nicht mehr geradewegs nach unten. Stattdessen schien sie wie ein Blatt zu gleiten, weg von den Burgmauern und ein Stück hinaus über die Kluft.
Jetzt dämmerte mir, dass ein Faethor im Vollbesitz seiner Kräfte tatsächlich von diesen Zinnen hinausgeflogen wäre; nicht wie ein Vogel, doch wie eine Fledermaus. Aber ich hatte ihn überrascht, und in seinem Schreck hatte er wertvolle Momente verloren. Zu spät hatte er die Wandlung seines Körpers eingeleitet, hatte sich platt wie eine Flunder gemacht, um seinen Körper als Segel zu benutzen. Zu spät, denn während ich fasziniert zusah, schlug er auf einen hoch stehenden Ast. Dann sah ich nur noch ein dunkles Gewirr, hörte das Krachen brechenden Geästs, und der Fleck war verschwunden. Es krachte noch einige Male, ein Schrei erklang und ein endgültiger dumpfer Aufschlag aus der Tiefe. Und Stille …
Ich stand lange Zeit in der sich vertiefenden Dämmerung und lauschte. Nichts.
Und dann lachte ich. Oh, wie ich lachte! Ich stampfte mit den Füßen auf und klatschte mit beiden Händen auf die Brüstung. Ich hatte den Hurensohn erwischt, den alten Teufel. Ich hatte ihn tatsächlich erledigt!
Doch das Lachen verging mir: Ich hatte ihn von der Burgmauer gestoßen. Aber … war er wirklich tot?
Panik erfasste mich. Ich wusste, wie schwer es war, einen Vampir zu töten. Der Beweis befand sich hier auf dem Dach neben mir, in Gestalt des gurgelnden zuckenden Ehrig. Ich eilte zu ihm hinüber. Sein Gesicht war blau angelaufen, und die Lederschnur hatte sich tief in sein Fleisch eingeschnitten. Sein Schädel, den ich gegen die Mauer geschmettert und gebrochen hatte, war bereits wieder hart. Wie lang, bevor er wieder aufwachen würde? Ich konnte ihm auf keinen Fall vertrauen. Nein, ich stand ganz allein da.
Rasch trug ich Ehrig ins tiefe Innere der Burg, zurück in unsere Zelle an der Wurzel eines der Türme. Dort legte ich ihn ab und versperrte die Tür. Vielleicht würde der dreckige Vampir unter der Erde ihn finden und verschlingen, bevor er sich vollständig erholte. Ich wusste es nicht, und es war mir auch egal.
Dann eilte ich durch die Burg nach oben, zündete Lampen und Kerzen an, wo immer ich welche vorfand und erleuchtete den düsteren Ort, wie er wohl seit hundert Jahren nicht mehr erhellt worden war. Vielleicht hatte die Burg sogar noch niemals derart gestrahlt wie jetzt, da ich ihr das Licht brachte.
Es gab zwei Eingänge: Zum einen konnte man über die Zugbrücke und durch jenes Tor eintreten, das ich benutzt hatte, als ich, von Faethors Wölfen begleitet, hier eintraf, und dieses verbarrikadierte ich nun. Der andere Eingang führte von einem schmalen Felsvorsprung an der Rückseite in die Burg. Dort schritt man über eine überdachte Holzbrücke bis zu einem Fenster in der Mauer des zweiten Turms. Zweifellos war dies der Fluchtweg des Ferenczys gewesen, wann immer er einen solchen benötigt haben sollte – wahrscheinlich noch gar nicht. Doch wenn man auf diesem Weg nach draußen kam, kam man auch hinein. Also suchte ich nach Öl, goss es auf die Planken, entzündete es und wartete so lange, bis die Brücke hell loderte.
Ich blieb an Fensteröffnungen und Schießscharten stehen, um in die Nacht hinauszublicken. Zuerst sah ich lediglich Mond und Sterne, graue Wolkenfetzen, und unten das silbrig beleuchtete Tal, über das die
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