Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
und der ihn überdauerte. Er hieß Faethor, und Thibor nahm seinen Familiennamen an. Zu Recht, denn Faethor machte ihn zum Vampir. Ich spreche natürlich von Faethor Ferenczy.«
Ladislau Girescis Stimme war nur noch ein leises Wispern, als er antwortete: In der Tat. Und mit ihm begann einst mein Interesse an den Untoten. Denn ich befand mich bei Faethor, als er starb. Stell dir das vor! Dieses Geschöpf war mindestens dreizehnhundert Jahre alt!
»Über diese beiden will ich mehr wissen«, sagte Harry eifrig. »Thibor und Faethor. Zeit Ihres Lebens waren Sie ein Vampir-Experte. Wie sehr auch manche Menschen Ihre Besessenheit kritisieren oder Sie als einen Exzentriker betrachten mochten, haben Sie dennoch die Vampirmythen, die Legenden, die Bräuche erforscht. Sie betrieben Ihre Studien bis zu Ihrem Tod, und ich schätze einmal, Sie haben sie auch danach noch fortgesetzt. Wie weit sind Ihre Forschungen gediehen, Ladislau? Wie kam es dazu, dass Thibor hier in den Kreuzhügeln begraben wurde? Und was geschah mit Faethor zwischen dem zehnten und dem zwölften Jahrhundert? Es ist wichtig für mich, diese Dinge in Erfahrung zu bringen, denn sie haben einen Bezug zu dem, was ich im Moment unternehme. Und was ich unternehme, hat mit der Sicherheit und der geistigen Gesundheit der gesamten Welt zu tun!«
Ich verstehe, sagte Giresci ernüchtert. Aber, Harry, glaubst du nicht, du solltest dich mit jemandem unterhalten, der eine weit größere Autorität auf diesem Gebiet darstellt? Ich denke, das ließe sich arrangieren.
»Was?« Harry war verblüfft. »Eine noch größere Autorität als Sie? Gibt es eine solche Person?«
Ahhhh!, seufzte eine neue, ungeheuer kraftvolle Stimme. Sie klang schwarz wie die Nacht und tief wie aus dem Abgrund der Hölle, und sie schien von überall und von nirgendwoher gleichzeitig zu erschallen. Oh ja, Haaarrry, es gibt – oder gab – eine solche Person. Und das bin ich. Niemand weiß mehr über die Wamphyri als ich, denn niemand hat so lange gelebt oder wird so lange leben wie ich. So schrecklich lang, dass ich, als es geschah, zu sterben bereit war. Oh, ich habe dagegen angekämpft, da kannst du sicher sein, aber zum Schluss war es das Beste. Nun habe ich meinen Frieden gefunden. Und ich bin Ladislau Giresci zu Dank verpflichtet, dass er mir diese endgültige, gnädige Erlösung verschaffte. Da er offenbar die größte Achtung vor dir empfindet – wie anscheinend alle Toten –, muss ich mich wohl anschließen. Also komm zu mir, Harry Keogh, und lass deine Fragen von einem echten Experten beantworten.
Das war ein Angebot, das Harry nicht ausschlagen konnte. Natürlich war ihm augenblicklich klar, wer da sprach, und er fragte sich, warum er diese Möglichkeit nicht selbst schon in Betracht gezogen hatte. Diese Lösung hatte doch auf der Hand gelegen.
»Ich komme, Faethor«, sagte er. »Nur ein Augenblick, dann bin ich bei dir!«
ELFTES KAPITEL
Bis heute stehen vor den Außenbezirken von Ploiesti auf der Bukarest zugewandten Seite eine Reihe ausgebrannter Ruinen. Sie gemahnen an die alltäglichen Schrecken des Krieges. Die kläglichen Trümmer liegen wie zur Hälfte begrabene steinerne Leichen am Rand des offenen Landes. Im Sommer wirken sie eigenartig weitverzweigt, wenn die alten Bombenkrater von Blumen und Sträuchern und Leben erfüllt sind und der Efeu die zerschmetterten Mauern grün färbt. Erst im Winter, wenn Schnee liegt und der monochrome Anblick die triste Realität des Landes zur Geltung bringt, wird die Zerstörung wirklich augenfällig. Die Rumänen haben die Gebäude niemals wieder aufgebaut und auch in der näheren Umgebung keine neuen Siedlungen oder Stadtteile errichtet.
Hier hatte der Vampir Faethor Ferenczy endlich den Tod durch die Hand Ladislau Girescis gefunden – im Zweiten Weltkrieg, während eines Bombenangriffs, der Ploiesti und Bukarest gegolten hatte.
Ein zersplitterter Deckenbalken hatte Faethor am Boden seines Arbeitszimmers festgenagelt, als sein Haus fast direkt getroffen worden war. Er hatte die ihn umgebenden Flammen gefürchtet, denn Vampire verbrennen nur sehr langsam. Giresci, damals beim Zivilschutz, hatte die Explosion miterlebt, die brennende Ruine betreten und versucht, Faethor aus seiner Todesfalle zu befreien, doch ohne Erfolg. Es war hoffnungslos gewesen.
Dem Vampir war klar geworden, dass dies seinen endgültigen Tod bedeutete. In einer übermenschlichen Willensanstrengung hatte er Giresci befohlen, ihm ein schnelleres Ende zu bereiten.
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