Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
niederzuschlagen, bevor er zu stark wird …«
Eine Weile lang saß Prinz Wladimir lediglich da und blickte ihn aus halb geschlossenen Augen an. Dann sagte er leise: »Ihr seid in einem Jahr und einem Monat weit gekommen, Wallache …« Und zu seinen Gästen sagte er laut: »Esst! Trinkt! Unterhaltet Euch! Ehrt diesen Mann! Das schulden wir ihm.« Doch während das Festmahl weiterging, stand er auf und gab Thibor einen Wink, mit ihm zu kommen.
Sie gingen hinaus auf das Gelände hinter dem Schloss, in einen kühlen Herbstabend hinein. Der Rauch von den Holzfeuern duftete unter den Bäumen.
Ein Stück weit vom Schloss entfernt blieb der Prinz stehen. »Thibor, wir werden uns mit Eurer Idee beschäftigen – dieser Invasion nach Osten zu, denn darauf würde es hinauslaufen –, doch ich bin nicht sicher, ob wir dazu in der Lage sind. Wisst Ihr, man hat so etwas schon früher versucht.« Er nickte verbittert. »Der Große Prinz selbst hat es versucht. Zuerst griff er die Chasaren an. Swjatoslaw zermalmte sie, und die Byzantiner fegten die Überreste weg. Und dann zog er gegen Bulgarien und Makedonien. Doch in der Zwischenzeit belagerten die Nomaden sogar Kiew selbst! Und welchen Preis musste er für seinen Übereifer bezahlen? Trotz aller Legenden, die über ihn verfasst wurden? Nomaden trieben ihn in die Stromschnellen und schnitzten aus seinem Schädel einen Trinkbecher! Seht Ihr, er handelte übereilt! Oh ja, er entledigte sich der Chasaren, sicher, aber letzten Endes ließ er dafür die verdammten Petschenegen ein! Und soll ich ebenfalls überhastet handeln?«
Der Wallache stand einen Augenblick schweigend im Schein des Sonnenuntergangs. »Werdet Ihr mich also in die südliche Steppe zurücksenden?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Möglich, dass ich Euch ganz aus den Kämpfen heraushalte, zum Bojaren ernenne, Euch Land verleihe und Männer, die es für Euch bestellen sollen. Es gibt hier eine Menge gutes Land, Thibor.«
Thibor schüttelte den Kopf. »Dann ziehe ich es vor, in die Wallachei zurückzukehren. Ich bin kein Bauer, Prinz. Ich versuchte es, und dann kamen die Petschenegen und machten einen Krieger aus mir. Seither waren alle meine Träume rot gefärbt. Träume von Blut. Dem Blut meiner Feinde, der Feinde dieses Landes.«
»Und was ist mit meinen Feinden?«
»Es sind die gleichen. Zeigt sie mir nur!«
»Also gut«, sagte der Wlad. »Ich werde Euch einen von ihnen zeigen. Kennt Ihr die Berge im Westen, die uns von den Ungarn trennen?«
»Meine Vorväter waren Ungarn«, sagte Thibor. »Was die Berge betrifft: Ich wurde unter ihren Gipfeln geboren. Nicht im Westen, aber im Süden, im Land der Wallachen, ein Stück weit vom großen Knick in der Bergkette.«
Der Prinz nickte. »Also habt Ihr Erfahrung mit den Bergen und ihren Tücken. Gut. Doch auf meiner Seite jener Gipfel, jenseits von Halitsch, gibt es eine Gegend, die nach ihren Einwohnern die Horvathei genannt wird, und dort wohnt ein Bojar, der … nicht zu meinen Freunden zählt. Ich erhebe Anspruch auf seine Gefolgschaft, aber als ich all meine kleinen Prinzchen und Bojaren zu mir rief, erschien er nicht. Als ich ihn nach Kiew einlud, antwortete er nicht einmal. Als ich ihn zu einem Gespräch zitierte, ignorierte er mich. Wenn er also nicht mein Freund ist, kann er nur mein Feind sein. Er ist wie ein Hund, der nicht kommt, wenn ich ihn herbeirufe. Ein wilder Hund, und sein Heim ist eine Bergfestung. Bisher hatte ich weder die Zeit noch die Absicht noch die Macht, ihn dort herauszuholen, aber …«
»Was?« Thibor war verblüfft und unterbrach den Redefluss des Wlad. »Es tut mir leid, mein Prinz, aber Ihr – und keine Macht?«
Wladimir Swjatoslawitsch schüttelte den Kopf. »Ihr versteht das nicht«, sagte er. »Natürlich besitze ich Macht. Kiew besitzt Macht. Aber sie ist so weit verstreut und ausgedehnt, dass sie ihre Grenzen hat. Soll ich ein Heer zurückholen, um ein ungebärdiges Prinzlein zur Ordnung zu rufen? Und dabei die Petschenegen wieder aufkommen lassen? Soll ich aus Bauern und Beamten, die sämtlich keinerlei Kampferfahrung haben, ein neues Heer aufstellen? Und falls doch, was dann? Selbst ein Heer könnte den Ferenczy nicht aus seiner Burg holen, wenn er nicht herauskommen will! Selbst ein ganzes Heer könnte ihn nicht vernichten, weil seine Verteidigungsanlagen so stark sind! Welche? Es sind die Bergpässe selbst, die Schluchten, die Lawinen! Mit einer Handvoll wilder und treuer Dienstmannen könnte er jedem Heer, das
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