Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
verheilt waren, doch der Schmerz war bis heute nicht vergessen.
Und dann die Sache mit dem Frosch. Anne hatte keine Lust, sich noch einmal damit zu beschäftigen, aber die Bilder stiegen ungewollt in ihr hoch, und sie konnte sie nicht verdrängen. Es war passiert, als Georgina ihre Londoner Wohnung verkauft hatte, einen Tag bevor sie mit Yulian in das alte Haus in Devon gezogen war.
Als Helen ein Jahr alt gewesen war, hatte George im Garten ihres Hauses in Greenford einen Teich angelegt. Ohne großes Zutun hatte sich dort bald ein richtiges Biotop entwickelt. Schilf wuchs am Rand, Wasserlilien schwammen an der stillen Oberfläche, ein kleiner Strauch neigte sich über das Wasser und eine große grüne Froschart hatte den Teich zu seiner Heimstatt erkoren. Es gab auch Wasserschnecken und am Uferrand bildete sich gelegentlich eine dünne grüne Schleimschicht. Als das betrachtete Anne diese Erscheinung jedenfalls. Im Hochsommer waren meist Libellen zu sehen, aber in diesem Jahr hatte Anne nur ein- oder zweimal welche beobachtet, noch dazu sehr kleine.
Sie hatte mit den Kindern im Garten gesessen und zugesehen, wie Yulian mit einem weichen Gummiball spielte. Vielleicht war »spielen« die falsche Bezeichnung dafür, denn Yulian hatte Schwierigkeiten damit, wie andere Kinder zu spielen. Er schien eine klare Meinung zu vertreten: Ein Ball ist ein Ball, einfach eine Gummikugel. Lass ihn fallen, und er springt hoch, wirf ihn gegen eine Wand, und er kommt zu dir zurück. Darüber hinaus hat er keinen praktischen Wert; er konnte sein Interesse nicht lange fesseln. Andere mochten das bezweifeln, aber so dachte Yulian nun einmal. Anne wusste eigentlich gar nicht, warum sie ihm den Ball gekauft hatte. Er hatte noch nie richtig mit etwas gespielt. Jedenfalls hatte er den Ball tatsächlich zweimal aufspringen lassen und einmal an die Mauer geworfen. Und dann war er hinüber an den Rand des Teiches gerollt.
Yulian hatte ein wenig verächtlich hinterhergeschaut, doch mit einem Mal schien sein Interesse zu erwachen. Am Ufer des kleinen Tümpels war etwas hochgehüpft: ein großer leuchtend grüner Frosch, der mit pulsierendem Kehlsack dasaß, zwei Füße im Wasser und zwei auf dem Trockenen. Und das fünfjährige Kind erstarrte, stand regungslos da wie eine Katze, wenn sie eine Beute erspäht hat. Es war Helen, die hinrannte und den Ball zurückholte. Yulian hatte nur Augen für den Frosch.
Genau in diesem Augenblick rief George von drinnen. Das Kebab brannte offenbar an. Anne hatte nämlich ein Abschiedsessen für Georgina auf dem Herd, und George sollte eigentlich den Küchenmeister spielen.
Also eilte Anne hinein, um das Essen zu retten. Sie brauchte ein, zwei Minuten, um das dampfende Fleisch vom Grill zu holen und nach draußen zum Tisch zu bringen. Dann kam Georgina auf ihre verträumte Ich-komm-schon-irgendwann-mal-Art die Treppe herunter, während George mit seinen Gewürzen im Garten erschien.
»Tut mir leid, Schatz«, entschuldigte er sich. »Ich bin ein bisschen aus der Übung. Aber jetzt habe ich es so weit fertig. Alles in Ordnung!«
Aber es war keineswegs alles in Ordnung.
Als sie Helens Aufschrei vom hinteren Teil des Gartens her hörte, rannte Anne atemlos dorthin.
Am Teich begriff sie zuerst gar nicht, was sie da sah. Sie glaubte, Yulian wäre gestürzt und mit dem Gesicht in die grüne Brühe am Rand des Teichs gefallen. Dann klärte sich ihr Blick, und das Bild, das sie wahrnahm, brannte sich in ihr Hirn ein und war nach wie vor unvergessen: Die kleinen weißen Mosaiksteinchen an der Umrandung des Teichs waren blutverschmiert, genauso wie Yulians Gesicht und Hände.
Er saß mit übergeschlagenen Beinen wie ein kleiner Buddha am Ufer, hielt den Frosch wie eine zerrissene grüne Plastikhülle in den ungeschickten Händen und spielte mit den Innereien herum. Und dieses – unschuldige? – Kind studierte diese Innereien gründlichst, roch daran, lauschte hinein und war offenbar erstaunt darüber, wie kompliziert das alles doch war.
Dann schwebte seine Mutter von hinten heran und säuselte: »Oh je, oh je! Hat das gelebt? Ach, ich weiß, was es war. Das macht er manchmal. Öffnet Sachen. Das ist nur Neugier. Er will sehen, wie die Dinge funktionieren.«
Anne schnappte sich erschrocken und blass die weinende Helen und wandte sich angeekelt ab. »Aber Georgina«, entfuhr es ihr, »das ist kein alter Wecker oder so – das ist ein Frosch!«
»Ja, tatsächlich? Oh je. Armes Ding!« Sie wedelte mit den Händen
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