Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
trat, hatte er vielleicht eine halbe Sekunde Zeit, um auf das zu reagieren, was dort auf ihn wartete, doch es reichte gerade so eben.
George Lakes Verstand war ein brodelnder Vulkan aus purem Hass. Viele Gefühle lagen darunter gefangen, bis zu jener letzten halben Sekunde noch mühsam beherrscht: Gier, Selbstverachtung, ein Hunger jenseits alles Menschlichen und so intensiv, dass er eine neue Gefühlsdimension darstellte, Ekel, brennende Eifersucht, doch vor allem blanker Hass. Auf Yulian. Und in dem Augenblick, bevor George zuschlug, berührte die Bitterkeit seines Verstandes Yulians Geist, brannte dort wie Säure, sodass dieser aufschrie, während er sich herumwarf, um dem urgewaltigen Schlag zu entgehen.
Doch die Dunkelheit war, schon lange bevor George sie für sich entdeckte hatte, Yulians Element gewesen, eine Tatsache, mit der dieser neue, halb verrückte Vampir nicht gerechnet hatte. Yulian sah ihn hinter der Tür kauern, sah die Hacke auf sich zuschnellen. Er tauchte unter der rostigen, gefährlichen Schneide weg und kam innerhalb von Georges Reichweite wieder hoch. Seine Finger schlossen sich wie Stahl um den Hals des wildwütigen Geschöpfes. Gleichzeitig entrang er George mit der freien Hand den Stiel der Hacke und warf sie zur Seite. Dann trieb er sein Knie wieder und wieder mit aller Wucht in Georges Unterleib.
Jeder gewöhnliche Mann wäre an diesem Punkt am Ende gewesen, doch George Lake war kein gewöhnlicher Mann, war eigentlich noch nicht mal mehr ein Mensch. Als sich Yulians Finger um seinen Hals schlossen und immer fester zudrückten, wurde er langsam zu Boden gezwungen. Seine Augen starrten Yulian wie zwei Kohlen an, die von einem Blasebalg zum Aufglühen gebracht werden. Das graue untote Fleisch des Vampirs spürte die Schmerzen nicht, und George brachte die Kraft auf, sich zur Wehr zu setzen. Trotz Yulians Gewicht stemmte er sich mit beiden Beinen in eine aufrechte Haltung und schlug ihm mit aller Kraft auf die Unterarme, um den eisernen Griff zu lockern. Verblüfft registrierte der Jüngling, wie er zurückgeschleudert wurde und George nun seinerseits auf ihn zusprang und ihm an die Kehle fuhr.
Und so empfand Yulian zum zweiten Mal in kurzer Zeit Angst, denn ihm wurde nun klar, dass sein »Onkel« fast genauso stark war wie er selbst. Er wich dem Angriff blitzschnell aus, gab George noch einen Schubs mit, sodass dieser zu Boden stürzte, und riss die Hacke an sich, die auf dem Fußboden neben ihm gelegen hatte. Er schwang das Gerät drohend mit seinen kraftvollen Händen und schritt auf George zu, der sich gerade wieder hochrappelte.
Und in diesem Augenblick kam Anne, Yulians liebste »Tante« Anne, wie ein Gespenst aus den Schatten gerannt und warf sich kreischend zwischen Yulian und ihren untoten Ehemann.
»Oh, Yulian«, rief sie anklagend. »Yulian, nicht! Bitte bring ihn nicht um! Nicht … noch einmal!« Nackt und verschmutzt kauerte sie zwischen ihnen, mit einem Blick wie ein Tier, das um Gnade winselt, die Haare verfilzt und gesträubt.
Yulian stieß sie beiseite, als George erneut angriff.
»George«, knurrte Yulian durch die zusammengebissenen Zähne. »Zweimal bist du damit auf mich losgegangen. Mal sehen, wie dir das selbst gefällt!«
Rost blätterte von der scharfen Schneide der Hacke ab, als er sie wuchtig auf Georges Stirn schmetterte. Genau über dem Dreieck aus Augen und Nase stanzte die Hacke ihm ein sauberes Loch in den Schädel. Die Wucht des Schlags hob George beinahe von den Beinen, sodass er sich wie eine Marionette am Faden vor Yulian aufrichtete.
Er gab einen undefinierbaren Laut von sich, während sich seine Augen mit Blut füllten und ein roter Strahl aus der Nase schoss. Seine Arme hoben sich, und seine Hände zitterten wie unter einem elektrischen Schlag. Er gurgelte erstickt, dann klappte sein Unterkiefer herunter und er fiel wie ein gefällter Baum rücklings um und krachte schwer auf den Boden. Die Hacke steckte noch immer fest in seinem Kopf.
Anne stürzte heran und warf sich heulend über Georges zuckenden Körper. Sie stand zwar noch unter Yulians Bann, doch George war immerhin ihr Mann gewesen. Was aus ihm geworden war, hatte Yulian angerichtet – er selbst trug keine Schuld daran.
»George, oh, George!«, jammerte sie. »Ach, mein armer, lieber George!«
»Geh runter von ihm!«, fauchte Yulian sie an. »Hilf mir!«
Sie schleiften George an den Fußgelenken bis in den Raum mit dem Ofen. Die Hacke klapperte auf dem unebenen Fußboden. Vor dem
Weitere Kostenlose Bücher