Brian Lumleys Necroscope: Buch 2 - Vampirbrut (German Edition)
Observierung, sondern Mord. Nachdem sie ihn in der vergangenen Nacht derart an der Nase herumgeführt hatten, hätte er diese beiden Engländer nur zu gern umgebracht. Und es wäre so leicht! Sie schienen von diesem verrufenen Stadtteil so fasziniert zu sein, dass sie sonst nichts wahrnahmen.
Dreißig Meter vor ihm bogen Kyle und Quint plötzlich um eine Ecke und betraten eine gepflasterte Gasse, an deren Seiten die Gebäude so hoch aufragten, dass fast kein Licht hereinfiel. Dolgikh schritt ein bisschen schneller voran, erreichte die Abzweigung und trat aus dem grauen Nieselregen in eine feuchtwarme Düsternis. Die Abfälle von vier oder fünf Tagen hatten sich auf dem Pflaster angesammelt. Viele Häuser waren in einem Bogen über die Gasse gebaut. Hier schliefen die Bewohner offenbar noch, nachdem die letzte Nacht wohl lang gewesen war. Hätte Dolgikh den Auftrag gehabt, die beiden zu töten, wäre das der ideale Ort gewesen.
Das Echo ihrer Schritte hallte durch die Gasse. Der russische Agent verengte die kleinen runden Augen, um durch das Dämmerlicht die beiden schattenhaften Gestalten beobachten zu können, die nun hinter der nächsten Ecke verschwanden. Er wartete einen Moment lang, und dann machte er sich erneut an die Verfolgung. Aber plötzlich nahm er eine lautlose Bewegung in seiner Nähe wahr und blieb abrupt stehen.
Aus dem Schatten eines Hauseingangs heraus ertönte eine raue Stimme: »Hallo Theo! Sie kennen mich nicht, aber ich kenne Sie!«
Dolgikhs japanischer Karatelehrer hatte recht gehabt: Er war tatsächlich nicht schnell genug. Bei Gelegenheiten wie dieser war ihm seine Körpermasse im Weg. Er biss die Zähne aufeinander, weil er den dumpfen Aufschlag eines Totschlägers auf seinem Hinterkopf erwartete, und den Schmerz natürlich, oder vielleicht das bläuliche Schimmern eines Schalldämpfers auf dem Lauf einer Pistole, während er zu der Stimme aus dem Dunkel herumwirbelte und seine schwere Werkzeugtasche in ihre Richtung schleuderte. Eine hochgewachsene schattenhafte Gestalt wurde von der Tasche an der Brust getroffen und wischte sie einfach beiseite. Die Tasche schlug klappernd auf die Pflastersteine. Dolgikhs Augen hatten sich mittlerweile an die Düsternis der Gasse gewöhnt. Es war immer noch dunkel, aber er war sicher, keine Waffe bei der Gestalt gesehen zu haben. Das gefiel ihm schon besser.
Mit gesenktem Kopf rammte er seinen massigen Körper wie einen menschlichen Torpedo in den Schatten des Hauseingangs hinein.
»Mr Brown« traf ihn zweimal, zwei Schläge eines Experten, der nicht töten, sondern nur betäuben wollte. Und um doppelt sicherzugehen, knallte er den Kopf des Russen, bevor der schwere Mann zu Boden krachte, noch gegen die Türbretter, von denen eines unter dem Aufprall splitterte.
Einen Augenblick später trat er aus dem Schatten in die Gasse hinaus, blickte sich nach beiden Seiten um und stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass niemand den Zwischenfall bemerkt hatte. Dort waren nur das Tropfen des Regens von den überhängenden Dachrinnen und der Gestank der Abfälle. Und nun lag hier noch ein Haufen Abfall mehr. Brown grinste breit und stieß die zusammengebrochene Gestalt Dolgikhs mit dem Fuß an.
Es war stets das Gleiche mit kräftigen Männern: Sie tendierten dazu, sich für die Größten und Härtesten zu halten. Doch das stimmte eben nicht immer. Brown wog fast genauso viel wie Dolgikh, aber er war einen Kopf größer und fünf Jahre jünger.
Seine Ausbildung war knallhart gewesen, und hätte er nicht eine besondere Macke entwickelt, die zu seiner Entlassung geführt hatte, wäre er nach wie vor beim militärischen Geheimdienst beschäftigt.
Er grinste wieder, zog dann die Schultern ein und verkroch sich in seinen Regenmantel. Mit tief in den Taschen vergrabenen Händen hastete er durch den Regen zu seinem Auto.
ACHTES KAPITEL
Am gleichen Samstag zur Mittagszeit kam Yulian Bodescu zu dem Entschluss, dass er endgültig von seinem »Onkel« George Lake die Nase voll habe. Genauer gesagt, war die Zeit gekommen, Lake bei der Suche nach gewissen Erkenntnissen zu benutzen. Yulians unmittelbares Ziel war recht einfach: Er wollte wissen, wie ein Vampir getötet werden konnte, wie man einen Untoten endgültig beseitigte, sodass er niemals mehr wiederkehrte, und auf diese Weise wollte er erfahren, wie er sich vor einem solchen Ableben schützen könne.
Sie konnten sicherlich durch Feuer sterben, das wusste er bereits. Aber wie stand es mit den anderen Methoden?
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