Bride 02 - Tempel Der Liebe
herauszufinden, wer ich war. Dir selbst ist es ähnlich ergangen. Vielleicht ist Dornleigh der geeignete Ort, zu dir selbst zu finden.« Er hielt ihre Hand so fest, als wollte er sie nicht mehr loslassen. »Bitte, versprich mir aber, dass du nie wieder versuchst, dir etwas anzutun.«
Sie lächelte schelmisch. »Im letzten Augenblick hätte ich das Messer schon abgewendet, aber ich musste etwas tun, um dir zu zeigen, wie aufgebracht ich war.«
»Das ist dir gelungen. Wahrscheinlich habe ich jetzt ein paar graue Haare bekommen«, meinte er erleichtert. »Auch wenn mir Dominics Charme fehlt, wärst du die erste Frau, die versucht hätte, mich durch einen Selbstmord loszuwerden. Sehr schlecht für meine Eigenliebe.«
»Du hältst deinen Bruder für charmanter?«
»O ja. Unbestreitbar. Von seiner Veranlagung her ist er heiterer und umgänglicher. Ich habe mehr von der Steifheit meines Vaters. Ich will mich bessern.«
»Ein kluger Entschluss.« Sie warf ihm einen katzenäugigen Blick zu. »Nicht nur das Haus muss verbessert werden.«
Sie rauschte aus dem Zimmer und überließ es ihm, ihre Reisetaschen mitzunehmen. Von ihrem Bemühen, sich möglichst still und unauffällig zu verhalten, war nichts mehr zu spüren. Sie wirkte jetzt freier und auf eine gewisse Art unberechenbar. Er fragte sich, wie sie sich jetzt wohl verhalten würde, nachdem sie aufgehört hatte, sich so zu geben, wie es die anderen von ihr erwarteten.
Wahrscheinlich würde sie noch bezaubernder sein.
KAPITEL 34
Nach ihrer Rückkehr nach Dornleigh versuchte Troth mit sich ins Reine zu kommen. Zurückschauend erkannte sie, dass sie insgeheim die Hoffnung gehegt hatte, Kyle würde sich klar darüber werden, dass er sie liebte, und sie würden die Ehe weiterführen, wenn sie sich nur eifrig genug bemühte, gefällig und angepasst zu sein.
Die letzten Illusionen schwanden, als ihr bewusst wurde, dass er nie die Möglichkeit in Betracht gezogen hatte, mit ihr verheiratet zu bleiben. Er mochte sie, war ihr wohlgesonnen und fühlte sich für sie verantwortlich, aber er betrachtete sie nicht als seine Ehefrau. Jedenfalls hatte er eine ehrliche Entscheidung getroffen.
Welches Glück war Constancia beschieden gewesen, von einem Mann mit so treuem Herzen geliebt zu werden!
Anstelle der Hoffnung war Troth die uneingeschränkte Freiheit des Alleinseins geblieben. Es war ihr gleichgültig geworden, was diese Leute, ausgenommen Kyle natürlich, von ihr dachten. Bald würde sie auf Nimmerwiedersehen verschwunden sein.
Wrexham begrüßte sie mit einem kühlen Nicken, aber sie dachte nicht daran, besonders liebenswürdig zu ihm zu sein, da er sie so unerbittlich als Ehefrau seines Erben abgelehnt hatte.
Wrexham wich ihrem Blick aus. Auch wenn er sich schämte, dass er solche Scheußlichkeiten über sie zu seinem Sohn gesagt hatte, machte er keine Anstalten, sich zu entschuldigen. Sie hatte ihre Zweifel, ob er dies jemals über sich bringen würde, und fand es eher bewundernswert, dass er bar jeder Heuchelei war. Er verachtete sie und war der Überzeugung, sie würde das Leben seines Sohnes ruinieren. Damit war für ihn der Fall abgeschlossen.
Wie angenehm, dass er in den nächsten Tagen nach London abreiste. Sie war sicher, dass sie Dornleigh noch vor seiner Rückkehr verlassen haben würde. Ein Umstand, der beiden von ihnen sehr gelegen käme.
Als sie darüber nachdachte, wie sie seit Kyles Ankunft auf Dornleigh verzweifelt versucht hatte, sich englisch zu geben, und sich dabei gleichzeitig wie eine unterwürfige, geknechtete Chinesin vorgekommen war, erkannte sie darin eine gewisse Ironie des Schicksals. Genug davon. Jetzt würde sie wie eine eigensinnige, willensstarke Schottin handeln. Das hieß auch, dass sie voll zu ihrem chinesis c hen Erbe stehen und sich keinen Deut um die Meinung der anderen scheren würde.
Ihr gefiel die Vorstellung, dass man sich die abenteuerlichsten Geschichten von der verrückten Chinesin erzählen würde, die der Renbourne-Erbe von seinen Reisen mitgebracht hatte. Dornleigh war das richtige Haus dafür, in dem solche Geschichten sich über Generationen hinweg halten und von jedem Erzähler weiter aufgebauscht würden.
Am nächsten Tag stand sie in der Morgendämmerung auf und zog eine weite Baumwolltunika und eine Hose an, die sie aus China mitgebracht hatte. Dann ging sie durch das stille Haus in den Garten. Die schnurgerade ausgerichteten Beete und Begrenzungen besaßen nicht einen Bruchteil des Zaubers und
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