Bride 02 - Tempel Der Liebe
ich wusste nicht, ob ich bei euch willkommen bin.«
»Das einzige Kind meines Sohnes nicht willkommen?«, entrüstete sich Mairead. »Wie kommst du auf einen so dummen Gedanken?«
»Weil ich eine halbe Chinesin bin und meine Eltern nach schottischen Bedingungen nicht rechtmäßig verheiratet waren.«
»Deine Eltern haben die Ehe nach schottischem Brauch geschlossen, und wenn nicht, bleibst du doch trotzdem die Tochter meines Bruders«, antwortete James.
»Meine Eltern waren verheiratet?«, fragte Troth erstaunt.
»Aye«, sagte Mairead. »Hugh und Li-Yin haben sich nach alter schottischer Sitte die Treue gelobt. Die beiden allein, vor Gott.« Zärtlich strich sie der Enkelin eine Haarsträhne aus der Stirn. »Daher kommt auch dein Name, Troth, die Treue.«
»War eine auf diese Art geschlossene Ehe auch in Macao gültig?«
»Für ihn war's gut genug. Dann ist's auch für uns gut genug«, erklärte Mairead bedächtig. »Haben deine Eltern nie darüber gesprochen?«
»Nein, und mir kam auch nie in den Sinn, sie danach zu fragen.« Troth hatte angenommen, Li-Yin sei seine Konkubine gewesen, ein in China legitimer Status. Sie hatte nicht geahnt, dass ihre Eltern verheiratet waren.
Jetzt, nachdem sie wusste, dass ihre Eltern das Ehegelöbnis abgelegt hatten, begriff sie, warum dieses Thema niemals zur Sprache gekommen war. »In Macao haben viele Fan-qui chinesische Konkubinen und Mischlingskinder, aber wenn ein Europäer seine Geliebte geheiratet hätte, wäre es zu einem Skandal gekommen. Ich kenne einen Mann, der deswegen fristlos aus seiner Handelsgesellschaft entlassen wurde. Mein Vater muss sich gedacht haben, dass es klüger sei, das Gelübde zu verschweigen.«
Er hatte Li-Yin >Mylady< genannt, eine Anrede, die Troth immer als höflich und liebevoll empfunden hatte. Ihr wurde auch klar, dass ihr Vater aus moralischen Gründen niemals in Sünde hätte leben können. Also heiratete er Li-Yin auf traditionelle Weise und gab dies niemandem außer seiner Familie in Schottland bekannt. Die europäische Gemeinde in Macao brauchte nicht zu wissen, dass er verbotenerweise seine Geliebte geheiratet hatte.
»Wäre es nicht Zeit für ein Tässchen Tee?« Jean, die in der Küche gewesen war, erschien mit einem Tablett, auf dem eine dampfende Teekanne und eine Schale frisch gebackener Butterkekse standen. »Zu viel Dramatik verdirbt den Appetit.«
Vor Anspannung und Nervosität hatte Troth den ganzen Tag noch keinen Bissen zu sich genommen und so waren ihr eine warme Tasse Tee und das himmlische, noch ofenwarme Gebäck willkommen. Es schmeckte vom ersten bis zum letzten Bissen so köstlich, wie ihr Vater es erzählt hatte. Als der erste große Hunger gestillt war, betrachtete sie den Kreis der neu gefundenen Verwandten. »Zweifelt denn keiner von euch daran, dass ich auch die bin, die zu sein ich behaupte? Ich habe Vaters Bibel, wenn ihr sie sehen möchtet.«
Mairead winkte ab. »Nicht nötig. Siehst wie er aus, trotz des chinesischen Bluts. Du hast seine Ohren, auch etwas von seiner Gesichtsform und sein Gehabe. Hugh wusste, wie gern ich mein Enkelchen gesehen hätte. Hat mir oft von dir geschrieben. Er war stolz, wie klug und schön du warst, und meinte, dass du ihm mit deinen beiden Sprachen bald bei seinen Geschäften helfen könntest.« Betrübt schüttelte sie den Kopf. »Ich hab ihn gebeten, dich auf Besuch zu mir zu schicken, aber er wollte dich nicht von deiner Mutter trennen und für deine Mutter wäre die Reise zu beschwerlich gewesen.«
Da hatte Vater Recht gehabt. Ihre Mutter hätte die weite Reise über das Meer in dieses fremde nordische Land gefürchtet, obwohl sie Hugh zuliebe nach Schottland gekommen wäre. Aber niemals hätte ihr Vater Li-Yin zu etwas gezwungen, was ihr widerstrebte. Eine lobenswerte Eigenschaft, wenn ein Mann einer Frau nicht seinen Willen aufzwang. Ein Charakterzug, den sie auch an Kyle schätzte.
»Da du jetzt hier bist, kann ich dir das Vermögen deines Vaters übergeben«, sagte James. »In seinem Testament hat er alles dir vermacht. Aber wir waren ja der Meinung, du seiest ertrunken. So ging das Geld an die Familie.«
»Aber wieso hatte er noch Geld?«, fragte Troth überrascht. »Vater war verschuldet, als er starb. Chenqua, der Kaufmannsfreund, der mich aufgenommen hatte, wird mich doch nicht belogen haben, als er sagte, ich stünde ohne einen Penny da!«
»Wahrscheinlich wusste Mr. Chenqua nichts von Hughs Konto in Schottland«, meinte James. »Einen Großteil seiner
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