Bride 02 - Tempel Der Liebe
zu sein. Mit der ihr eigenen sportlichen Anmut lernte sie schnell die schwungvollen Drehungen, bei denen man rhythmisch mit den Füßen stampfte.
Sie sah aus, als ob sie für diesen Ort geboren war - und für diese Menschen, was ja auch zutraf. Es hatte nur lange gedauert, bis sie den Weg nach Hause fand.
Da sie aus dem Gasthof in das Haus der Großmutter gezogen war, bekam Kyle sie kaum zu Gesicht, und wenn, dann nicht allein. Er hatte sich von seiner Werbung mehr erhofft. Aber vielleicht war es so das Beste. Allmählich schluckte er die bittere Wahrheit, dass er sie brauchte, während sie sehr gut ohne ihn auskam.
Zwei Frauen mittleren Alters, die auf den Gang hinausgehen wollten, blieben kurz vor ihm stehen. Eine sagte, den Blick auf Troth gerichtet: »Scheint ein nettes Ding zu sein, sieht aber sehr ausländisch aus.«
»Den Montgomerys macht das wohl nichts aus«, bemerkte die andere. »Obwohl 's mir bestimmt nicht recht wär, wenn mein Sohn sie heiraten wollte.«
»Trotz des ansehnlichen Vermögens, das sie geerbt hat, wie man erzählt?«
»Och, was wär ich doch für eine Rabenmutter, wenn ich dem Glück meines Sohnes im Weg stünde«, antwortete sie mit gespielter Geziertheit.
Kyle war versucht, die beiden Lästermäuler zur Rede zu stellen, aber weder Troth noch ihre Familie würden es gern sehen, wenn es zu einer Szene kam. Der Klügere gab nach.
Kyle entfernte sich. Auch wenn die Montgomerys ihre verlorene Enkelin willkommen hießen, gab es unter den Einheimischen viele kritische Stimmen.
»Maxwell! Trinken Sie einen Schluck mit mir?«
Er drehte sich um und sah Caleb Logan, den Kaufmann aus Edinburgh, der mit einer Flasche und zwei kleinen Gläsern auf ihn zukam. Obwohl Kyle ihn des öfteren in Kanton getroffen hatte, war ihm nicht klar gewesen, dass er Hugh Montgomerys Geschäftspartner gewesen war, sonst hätte er ihn ausgefragt, um sich ein besseres Bild von Mei-Lians geliebtem Vater machen zu können.
»Trinken wir auf Schottland und auf die ungewöhnlichste Frau im Grenzland!«, sagte Logan aufgeräumt und reichte ihm ein Glas mit klarem, bernsteinfarbenem Whisky.
»Auf Schottland und Troth Montgomery.« Kyle stürzte das feurige Getränk hinunter und war froh, dass er an diesem Abend noch nicht viel getrunken hatten. Logan zählte zu den erfolgreichen Handelsleuten in Kanton und war ein typischer Vertreter seiner Gilde: gerissen, pragmatisch und entschlossen, ein Vermögen zu machen, um in Schottland in großem Stil in den Ruhestand zu gehen. »Schön, Sie wieder zu sehen. Wie war Ihre Rückreise nach England?«
»Sehr gut. Ich fuhr mit einer Ladung bestem Bohea-Tee und habe sie zu einem Spitzenpreis verkauft.« Logan trank das Glas aus und schenkte sich wieder ein. »Hugh hätte sich gefreut, dass seine Tochter in ihre Heimat nach Schottland zurück gekehrt ist.«
»Nachdem Montgomery bei dem Schiffsunglück umgekommen war, dachte keiner daran, Troth zu ihrer Familie zu schicken?«, fragte Kyle.
Logan schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste. Er hatte Tochter und Mutter von der Umwelt abgeschirmt. Sogar ich habe sie nie gesehen, obwohl Hugh und ich anfangs täglich zusammen gearbeitet haben. Nach Hughs Tod sagte mir Chenqua, dass die Kleine bei ihren chinesischen Verwandten leben würde, was mir sehr vernünftig schien. Wieso sollte man das Kind entwurzeln und halb um den Globus schicken, wenn es eine Familie in der Nähe hatte.«
Chenqua hatte gesagt, Troth hätte chinesische Verwandte? Merkwürdig. Li-Yin stammte aus dem Norden und hatte keinen Kontakt zu ihrer Familie gehabt, nachdem sie als Konkubine verkauft worden war.
Ein unangenehmer Gedanke schlich sich ein. Hatte Chenqua Logan vielleicht erzählt, Troth hätte Familienangehörige, damit er Troths Mehrsprachigkeit für seine Zwecke nutzen konnte? Kyle gefiel die Vorstellung nicht, dass Chenqua Troth aus rein egoistischen Gründen wie eine Sklavin ausgenutzt hatte. Natürlich, von Chenquas Standpunkt aus gesehen, erwies er Troth womöglich einen Gefallen, indem er einem wertlosen Mischlingskind die Chance gab, sich nützlich zu machen. »Es muss ein harter Schlag für Ihre Geschäfte gewesen sein, als Montgomery und sein Schiff untergingen.«
»Aye, hat viel Mühe gekostet, die Finanzen in Ordnung zu bringen und dem Bankrott zu entgehen, übrigens nur mit Chenquas Hilfe. Im nächsten Jahr allerdings sah die Sache schon besser aus und ich habe wieder gut verdient.«
Kyle erinnerte sich an das, was Gavin gesagt hatte.
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