Bride 02 - Tempel Der Liebe
mit dem bruchstückhaften Aufsagen der Odyssee abzulenken. Die Träume aber ließen sich nicht steuern. Nachts lag Constancia neben ihm, warm und zärtlich, oder Troth, süß und wahr und leidenschaftlich. Oder er ging mit Dominic zum Fischen oder ritt mit seiner Schwester und seinem Vater über das hügelige Land von Dornleigh.
Das Aufwachen war die Rückkehr in die Hölle.
Er war sicher, dass Wu Chong beim zweiten Mal Ernst machen würde. Schließlich war in China der Tod durch Enthaupten die bevorzugte Hinrichtungsmethode und die Henker sollten angeblich sehr erfahren darin sein.
Die Vorstellung, dass ihm der Kopf abgeschlagen wurde, war ihm äußerst unangenehm, trotz Wangs Versicherung, dass es schmerzlos vonstatten ginge. Dieses Mal fiel es ihm nicht so leicht, ein ausdrucksloses Gesicht zu zeigen, als er in den Hof geführt wurde. Zum Glück unterstützte der dicht gewachsene Bart seine Bemühungen.
Als ihn die Wache vor dem Henker in die Knie zwang, dachte er an Hoshan und die heitere Ruhe, die er dort empfunden hatte. Das Hämmern seines Herzens übertönte beinahe den Trommelwirbel, der das Anheben des Schwertes anzeigte.
Ein kühler Luftzug berührte sein Gesicht, als die Klinge sich in den Erdboden grub, nur Zentimeter vor ihm. Kyle wartete auf den zweiten Hieb, aber Wu Chongs Methoden waren heimtückischer.
Wieder wurde Kyle in seinen stinkenden Kerker zurückgebracht. Es war jetzt Hochsommer und elend heiß. Die Monsunzeit hatte begonnen. Das Wasser rieselte unablässig an den Wänden herab. Eine erstickende Feuchtigkeit breitete sich aus.
Jeden Abend ritzte Kyle eine weitere Kerbe in die Mauer. Wie lange würde es noch dauern, bis der Präfekt seines Spielchens müde war und seinem Leben ein für alle Mal ein Ende setzte?
Die dritte Exekution war als Tod durch den Strang geplant, wieder eine Verbeugung Wu Chongs vor den westlichen Gebräuchen. Kyle aber war dies mittlerweile gleichgültig geworden. Die Malaria hatte zugeschlagen. Wie er es anfangs vermutet hatte, war das Gefängnis der beste Brutplatz dafür. Seine gute Gesundheit, die ihn bisher auf all seinen Reisen geschützt hatte, war angegriffen.
Er bemerkte die Krankheit, als Schauer vom unteren Rücken über den ganzen Körper liefen. Trotz der tropischen Hitze zitterte er vor Kälte. Nüchtern beobachtete er, wie seine Finger leichenblass wurden und die Fingernägel sich bläulich verfärbten. Auch eine leichtere Form der Malaria konnte ohne Behandlung tödlich verlaufen.
Schüttelfröste lösten sich mit brennendem Fieber ab. Verzweifelt rieb er sein Gesicht an der feuchten Wand, versuchte die verkrampften Muskeln zu kühlen, die ihn bis in die Knochen schmerzten. Der Wächter, der ihm die Mahlzeiten brachte, stieß mit der Stiefelspitze nach ihm, bevor er ihn wieder seinem Schicksal überließ.
Zwölf Stunden nach den ersten Symptomen ebbte das Fieber ab. Vor Erschöpfung war ihm sterbenselend. Einige Stunden Pause würden ihm bis zum nächsten Anfall bleiben. Da er über den Verlauf der Krankheit Bescheid wusste, nutzte er die Zeit, um seinen Reis zu essen und so viel Wasser wie möglich zu trinken. Oft schlug die Malaria regelmäßig wie ein Uhrwerk in täglichen Attacken zu. Bis dahin musste er wieder an Kraft gewinnen.
Der Schüttelfrost setzte am Nachmittag ein und der unheilvolle Kreislauf begann von Neuem. Schüttelfrost, trockenes Fieber, Schwitzen, immer wieder. Er zählte die Tage nicht mehr. Er war zu krank, um sie einzuritzen. Manchmal, wenn er vor Kälte geschüttelt wurde, stellte er sich Troth an seiner Seite vor, die ihn mit ihrem Körper wärmte. Wenn er in Fieberhitze nach Luft rang, glaubte er ihre kühlenden Hände auf der Stirn zu spüren, bis er sich wieder seiner Kerkerhölle bewusst wurde.
Er musste zu dem holzgezimmerten Galgen getragen werden. Als ihm die Schlinge um den Hals gelegt wurde, hielt er sich mühsam aufrecht. Aller guten Dinge waren drei. Dieses Mal würde er nach einigen schrecklichen Minuten von seinen Qualen erlöst sein. Verzeih mir, Dom, dass ich mein Versprechen, nach Hause zu kommen, nicht gehalten habe.
Der Henker war ein Stümper und die Hinrichtung misslang. Anstatt ihn weit genug hinunterfallen zu lassen, damit er sich das Genick brach - wie es ein anständiger britischer Henker getan hätte -, baumelte Kyle am Seilende hin und her, bis er das Bewusstsein verlor. Dann schnitten sie ihn ab.
Es war schwierig, die Würde zu bewahren, wenn man auf dem Boden lag und sich
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