Bride 03 - Die Entfuehrte Braut
Wahrscheinlich haben die Umstände einige gesellschaftliche Gepflogenheiten über Bord geworfen.«
»Ich weiß. Mir geht es genauso.« Seine tiefe Stimme kam einer Zärtlichkeit gefährlich nahe.
Verlegen gab sie seine Hände frei und entdeckte Blut auf ihren Handflächen. »Sie sind ja verletzt!«
Er betrachtete seine Hände, als ob ihn dies überraschte. »Nur einige Kratzer von meiner Kletterpartie.«
»Man muss sie auswaschen. In diesem Klima kann man sich schnell eine Infektion holen.« Sie biss sich auf die Lippe. »Als Herrin meines Hauses war ich stets auf Notfälle vorbereitet — Salben, Bandagen, Tabletten, Tees, je nachdem. Und jetzt habe ich nichts, womit ich helfen könnte.«
»Ich glaube, ich habe eine Salbe dabei. Je länger ich hier bleibe, desto mehr schafft Suryo von der Helena herauf.«
»Wenn Sie mir ein Handtuch und eine Schüssel Wasser bringen, werde ich die Abschürfungen reinigen.« Vielleicht war es töricht, ihm dies anzubieten, da es für ihn einfacher war, die Verletzungen selbst zu versorgen, aber sie wollte etwas für ihn tun, auch wenn es ein noch so kleiner Dienst war. Worte reichten nicht aus, um ihren Dank und ihre Empfindungen auszudrücken.
Er brachte eine Wasserschüssel aus dem Schlafzimmer mit einigen zusammengefalteten Tüchern und einen kleinen Topf mit Basilikumsalbe. Er setzte sich auf ein Kissen und streckte eine Hand durch die Gitterstäbe. Behutsam tupfte sie Sand und Blut ab und strich die Salbe über die offene Haut. Kaum sichtbare, längst verheilte Narben zeigten, dass dies die Hände eines arbeitenden Mannes waren. Trotzdem waren sie feingliedrig und wohlgeformt, kräftig und zupackend. Hände, auf die man sich verlassen konnte.
Gavin schien an den Käfigstangen einzunicken, als sie ihm aber eine Hand zurückgab und die zweite nahm, murmelte er: »Mmm, es tut gut, ein wenig bemuttert zu werden.«
»Ein Kapitän kümmert sich immerzu um die anderen, aber um ihn kümmert sich keiner.«
Er zuckte mit den Achseln. »Suiyo sorgt sehr gut für mich.«
Obwohl sein Steward ein anständiger Kerl war, klang diese Bemerkung sehr melancholisch. Wieder tat es ihr in der Seele weh, dass Gavins Frau gestorben war. Seine Geduld und Warmherzigkeit wiesen ihn als hingebungsvollen Ehemann und Vater aus. Er verdiente eine reine, liebende Frau. Stattdessen hatte er in diesem Augenblick nur sie, eine geschundene, seelisch zerstörte Sklavin. Wenigstens konnte sie jetzt dafür sorgen, dass die Abschürfungen an seinen Händen nicht eiterten.
Sie zog die Stirn kraus, als sie die aufgeriebenen Hautstellen an der Stirn und Wange sah. Wieder spülte sie das Tuch aus und steckte es durch die Stäbe, um die Verletzungen zu reinigen. Seine Augen öffneten sich nur wenige Zentimeter von ihr entfernt. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie sich der Intimität der Situation bewusst wurde.
Fühlte sie sich von ihm angezogen? Nein, sie spürte keine Anziehung, nein. Dieses Gefühl gehörte zu der alten Alexandra von damals. Nach den Erlebnissen als Sklavin gab es in ihrer Gegenwart oder Zukunft keinen Platz für diese Empfindung. Sie senkte den Blick, betupfte ein letztes Mal die wunden Stellen und strich sie mit Salbe ein. »Was Sie jetzt brauchen, Captain, ist ein Bad und eine ausgiebige Nachtruhe.«
»Damit ich von der nächsten Aufgabe träumen kann?« Er schnitt eine Grimasse. »Ich hoffe nur, Schwimmen, Tauchen oder Schach ist verlangt. Damit käme ich ganz gut über die Runden.«
»Heute haben sie alles bestens überstanden. Morgen wird es auch so sein«, sagte sie und versuchte zuversichtlich zu klingen.
Mit steifen Gliedern erhob er sich. »Wollen wir hoffen, dass Gott Sie in Freiheit sehen möchte, denn ich brauche jede Hilfe, die ich bekommen kann.«
Als er sich in sein Schlafzimmer zurückzog, dachte sie, dass Gott wahrscheinlich zu beschäftigt war und ihr deswegen Gavin Elliott geschickt hatte. Sie lächelte. Hätte sie diesen Gedanken laut ausgesprochen, wäre der forsche Kapitän wahrscheinlich in Verlegenheit geraten.
Sie nahm den Band mit Byrons Gedichten in die Hand und blätterte gedankenlos in den Seiten. Bei dem » Gefangenen von Chi tt on« hielt sie inne. Die Geschichte eines Mannes, der lange im Kerker saß und verzweifelt miterlebte, wie seine Brüder starben, ging ihr durch Mark und Bein. Byron hatte sich in den Gefangenen mitfühlend hineinversetzt, als er ihn am Ende sagen ließ: »Meine Ketten und ich sind Freunde geworden ...« Sie konnte sich
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